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Bundesjustiz

Gesinnungen kann man nicht verbieten: Chapeau für kluge Verfassungsrichter!

Chapeau für kluge Verfassungsrichter: Gesinnungen kann man nicht verbieten. (Bild: Regionalia)

Chapeau, für die Weisheit unserer Verfassungsrichter gegen den Hurrikan der Emotionen der populistischen Angstmacher und der etablierten Panik-Politiker: Gesinnungen kann man nicht verbieten und Bücher und Meinungen sollte man nicht schon wieder verbrennen, um sie zu vermeiden. Das NPD-Verbot ist gescheitert. Die neuen Nazis dürfen die Freiheit der Gesinnung unseres Grundgesetzes in Anspruch nehmen. Das tut weh. Es verpflichte uns, dafür zu sorgen, dass sie nie mehr Taten gegen die Menschlichkeit und gegen jüdische Mitbürger ausführen können. Nur dafür sind und bleiben wir verantwortlich!

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten...“ schrieb bereits Hofmann von Fallersleben und Ernst Richter in das berühmte Lied der Freiheit.

Auch die Gedanken des künftigen US-Präsidenten Donald Trump sind frei. Werden sie etwa mit großem Getöse verächtlich gemacht und kritisiert, weil es nicht unsere Gedanken, Wünsche und Begierden sind? Wo ist da Toleranz für andere Meinungen? Ist es wirklich verächtlich, wenn es Trump nicht gefällt, dass wir viel mehr Waren in sein Land einführen, als aus Amerika kaufen? Darf Trump kritisieren, wenn Fabriken zur Versorgung des US-Marktes in Mexiko gebaut werden? Ist es nicht normal, dass er als Unternehmer erst lernen muss, Präsident zu werden?

Ist es in unserer Gesellschaft inzwischen etwa nicht gefährlich und mit Nachteilen verbunden, seine Gedanken und Meinungen frei zu äußern? "Nennen Sie bitte nicht meinen Namen": Das ist die häufigste Bemerkung von kritischen Bürgern, die ich höre. Längst klafft wegen der Nachteilsangst eine gefährliche Lücke zwischen dem, was die Bürger heimlich denken, und dem, was sie wirklich offen sagen. Wer offen kritisiert, der erntet schnell Nachteile, Kündigungen, Auskunftsverweigerungen, Verfolgungen, Ausgrenzungen, Hausverbote; besonders bei kleinlichen Geistern.

Die Toleranz für andere Meinungen verliert sich zunehmend im eigenen Egoismus. Dieser ist auf den eigenen Vorteil und den Bestand seiner eigenen Meinung bedacht. Meinungsfreiheit wird zwar beschworen, aber nur, wenn die Meinungen der Anderen auch die eigenen Meinungen sind. Mir sind Politiker und Präsidenten lieber, die ihre Gedanken frei äußerst, statt sie listig und falsch diplomatisch zu verbergen. Wir können uns dann mit ihnen auseinandersetzen und unser Recht zur konstruktiven Kritik und zum Einspruch anwenden.

Keine Demokratie-Panik in Karlsruhe: Auf die klugen, besonnenen und weitsichtigen Richter des Bundesverfassungsgerichts kann Deutschland stolz sein. Diese Wächter der Freiheit sind wahrhaftige Stars unseres Rechts. Sie sind viel wichtiger als Fußballer, die Tore treffen oder mit denen „wir“ vermeintlich Weltmeister wurden. Unsere Verfassungsrichter ließen sich weder von der ekeligen „braunen Propaganda“ der NPD und von den verblendeten sogenannten „Reichsdeutschen“, noch von den „Angstmachern“ und den etablierten Panik-Politikern in Kopflosigkeit versetzen, sondern behielten einen klaren Kopf. Wie Ernst Richter erkannten auch diese weisen Richter: Gesinnungen kann man nicht verbieten und die Gedanken sind frei und bunt. Diese wirklich hohen Richter des zweiten Senats überzeugten, weil sie keine emotionales Urteil fällten sondern zur Differenzierung fähig blieben: Zwischen übler aber meinungsfreier Nazi-Gesinnung und realer und verbotener Gefahr. Es ist viel besser und klüger, Gesinnungen sehen zu lassen, statt sie zu unterdrücken. Denn Gesinnungen verschwinden nicht durch Verbote, sondern sie werden dadurch nur verschwiegen und verborgen. Ursache von schiefen Gesinnungen sind oft auch die Angst, der Verlust an Liebe und Hoffnung und das Gefühl von Minderwertigkeit und Ausgrenzung. Deswegen sind diese Gesinnungen so aggressiv und hartnäckig; und das macht sie unangreifbar gefährlich, wenn sie in Verboten verborgen bleiben. Gegen die rechtsradikale Aggression aus NPD und AfD hilft kein Stigma des Establishments gegen diese Ausgegrenzten. Die Anklage der etablierten Parteien gegen die populistischen neuen Parteien ist auch von der Angst um den Verlust ihrer eigenen Vorteile und Mandate geleitet. Sie erinnert an die früheren Angriffe und den Konkurrenzneid gegen die Grünen oder die „Rote Gefahr“. Die Panik der Altparteien wegen schwindender Prozente ist der Spiegel ihres eigenen Versagens. In ihrer selbstverliebten Ignoranz folgen viele Volksvertreter nicht dem Willen ihrer Mandatsgeber sondern ihren eigenen Interessen und den Erwartungen ihrer Parteichefs.

So wie man Angst nicht in eine Konservendose einschließen kann, um sie zu vermeiden, so können die etablierten Parteien sich mit ihrem Narzissmus auch nicht dem politischen Wettbewerb mit anderen Parteien entziehen. Angst kann man niemals vermeiden, indem man sie verbietet. Angst kann man nur durch Konfrontation und Auseinandersetzung mit dem überwinden, was den Menschen Angst macht. Die Konkurrenz nur schlecht zu reden und sie zu dämonisieren, war noch nie ein dauerhaftes Erfolgsmittel. Diese Erkenntnis könnten unsere Politiker aus dem Erfolg der Grünen und von Donald Trump ziehen. Wenn auch bei uns immer mehr Menschen vom politischen Establishment enttäuscht sind und wenn die Skandale um VW, DFB, FIFA, Deutsche Bank und anderen belegen, dass wir eine ziemlich korrupte Republik geworden sind, dann sind Veränderungen im System unerlässlich. Aus den Ursachen des Wahlerfolges von Donald Trump müssen wir ehrliche Lehren ziehen; aber keine so spottbilligen Lehren wie unsere Politiker sie derzeit ziehen. Sie empfehlen die Kontrolle der Kommentare ihrer Bürger in den neumodischen sozialen Netzwerken als Allheilmittel, obwohl nach geltendem Recht schon jetzt jeder unwahre oder verleumderische Kommentar gerichtlich durch einstweilige Verfügung verboten werden kann. Sie fürchten die Kommentare über ihre Politik in der kommenden Bundestagswahl, statt in eine Auseinandersetzung über ihre fragwürdigen politischen Inhalte einzutreten. Auch hier gilt: Es ist besser, die wüsten Gesinnungen von Kommentatoren und gefährlichen Fanatikern von Religionen zu sehen, statt sie unsichtbar zu unterdrücken.

Wenn wir zweitausend Jahre auf die Überlieferungen unserer Welt zurückblicken, sehen wir die ewigen Rechts-Links-Wechselspiele zwischen Demokratien und Diktaturen, zwischen Kaisern, Königen, Präsidenten, Hitler, Stalin, Mussolini, Marx und Engels. Wir erkennen auch in jüngerer Zeit zahlreiche machtgeile, kranke Neurotiker in Staatsämtern und in Unternehmensführungen, die glauben, die ganze Welt und die Menschen dürften nur glauben, was auch sie selbst glauben. Deswegen wird es auf der Welt immer wieder Formen der Nazis und Formen von Fanatikern, Diktatoren und Populisten des rechten, linken oder religiösen Radikalismus geben. Auch heute denken noch einige Araber in ihren Herzen, die tüchtigen Juden müssten ins Meer getrieben werden, um sie zu vermeiden. Dass die Nazis, die Judenhasser, die Diktatoren nicht wieder erstarken, dass das Unrecht nicht immer wieder und wieder geschieht, dafür muss jeder einzelne von uns durch Aufklärung und hartnäckigen Widerspruch seinen Beitrag leisten, statt wegzuschauen und zu schweigen.

Niemals dürfen wir aber auch diese Wahrheit vergessen: Die Ursache für den Aufschwung der Nazis war das Versagen der Politiker der Weimarer Republik, die Staatsverschuldung und die Arbeitslosigkeit. Diese oder ähnliche Ursachen können in Deutschland und in Europa (besonders bei einer unvermeidlichen Währungsreform wegen den Staatsschulden) erneut eintreten. Deswegen sind Staatsreformen und ein transparenter Staat, statt einem Geheimstaat, als Antwort auf den primitiven Populismus jetzt unerlässlich. Zwischen der heimlichen inneren Meinung der Bürger über die Verfassung unseres Staates und der erlaubten öffentlichen Meinung klafft eine blutende Wunde.

Viele kritische Wähler fragen doch inzwischen: Warum werden einfache Bürger wegen Kleinigkeiten verfolgt und warum sitzt Ex-VW-Boss Prof. Dr. Dr. e.h. mult. Martin Winterkorn noch nicht in Untersuchungshaft, obwohl bei VW und beim Staat durch vermeintlichen Betrug und Täuschungen ein Milliardenschaden verursacht wurde? Das Wahlvolk fragt sich: Liegt dies am Netzwerk und/oder an der vermeintlichen Korruption mit VW-Wohltaten für Amts- und Mandatsträger im politischen Establishment? Aus meinen langjährigen Recherchen kann ich sicher sagen: Korruption und Vorteilnahmen sind allgegenwärtig und haben eine miserable Aufklärungsqoute von weit unter 1 %. In unserer Zeit könnten Korruption und Vetternwirtschaft zu den neuen Totschlägern der Demokratie avancieren. Volle Transparenz, statt Gesinnungs- und Meinungsverbote, sind darauf die einzige Antwort. Wir brauchen vorurteilsfreie Auseinandersetzungen über Ideen und Gesinnungen. Wir brauchen Reibungen und Meinungsbildung. Die Demokratie lebt vom Widerspruch. 

Kein Verbot der NPD wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele

Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 17. Januar 2017 des Bundesverfassungserichts
Urteil vom 17. Januar 2017
2 BvB 1/13
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vertritt ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin. Allerdings fehlt es (derzeit) an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt, weshalb der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den zulässigen Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen (Art. 21 Abs. 2 GG) mit heute verkündetem Urteil einstimmig als unbegründet zurückgewiesen hat.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Der Verbotsantrag ist zulässig. Der Durchführung des Verfahrens steht weder ein Verstoß gegen das Gebot strikter Staatsfreiheit noch eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens entgegen. Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass alle V-Leute auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist. Auch ist davon auszugehen, dass die Prozessstrategie der NPD nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht wurde und hinreichende Vorkehrungen getroffen worden sind, um im Rahmen der Beobachtung der NPD hierüber zufällig erlangte Erkenntnisse nicht zu deren Lasten zu verwenden.
2. Der Antragsteller begehrt gemäß Art.  21 Abs. 2 GG in Verbindung mit §§ 43 ff. BVerfGG die Feststellung, dass die NPD verfassungswidrig ist, weil sie nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Dem sind folgende Maßstäbe zugrunde zu legen:
a) Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG beinhaltet die zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar. Daneben sind im Rahmen des Demokratieprinzips die Möglichkeit gleichberechtigter Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung aller Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) konstitutive Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hinsichtlich des Rechtsstaatsprinzips gilt dies für die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt, die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte und das staatliche Gewaltmonopol.
b) Der Begriff des Beseitigens im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG bezeichnet die Abschaffung zumindest eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem. Von einem Beeinträchtigen ist auszugehen, wenn eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewirkt.
c) Dass eine Partei die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt, muss sich aus den Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger ergeben. Die Ziele einer Partei sind der Inbegriff dessen, was eine Partei (offen oder verdeckt) politisch anstrebt. Anhänger sind alle Personen, die sich für eine Partei einsetzen und sich zu ihr bekennen, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei sind. Zuzurechnen sind einer Partei grundsätzlich die Tätigkeit der Parteiführung, leitender Funktionäre (auch von Teilorganisationen) und Äußerungen in Publikationsorganen der Partei. Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder oder von Anhängern, die nicht der Partei angehören, ist entscheidend, dass in deren Verhalten der politische Wille der Partei erkennbar zum Ausdruck kommt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Verhalten eine in der Partei vorhandene Grundtendenz widerspiegelt oder die Partei sich dieses Verhalten ausdrücklich zu Eigen gemacht hat.
d) Das Parteiverbot erfordert ein „Ausgehen“ auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Es ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Vielmehr muss die Partei über das Bekennen ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hinaus die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschreiten. Dies setzt voraus, dass sie sich durch aktives und planvolles Handeln für ihre Ziele einsetzt und auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinwirkt. Nicht erforderlich ist, dass das Handeln der Partei zu einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG führt. Es müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann (Potentialität). Lässt das Handeln einer Partei dagegen noch nicht einmal auf die Möglichkeit eines Erreichens ihrer verfassungsfeindlichen Ziele schließen, bedarf es des präventiven Schutzes der Verfassung durch ein Parteiverbot nicht. An der abweichenden Definition im KPD-Urteil, nach der es einem Parteiverbot nicht entgegenstehe, wenn für die Partei nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können (BVerfG 5, 85 <143>), hält der Senat nicht fest.
e) Für die Annahme weiterer (ungeschriebener) Tatbestandsmerkmale ist im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 GG kein Raum. Weder findet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Parteiverbotsverfahren Anwendung, noch kommt der Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus eine die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG ersetzende Funktion zu. Allerdings kann die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus indizielle Bedeutung hinsichtlich der Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele einer Partei entfalten.
3. Nach diesen Maßstäben ist der Verbotsantrag unbegründet.
a) Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet.
aa) Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. Er negiert den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländern, Migranten, religiösen und sonstigen Minderheiten) gerichtet.
bb) Darüber hinaus missachtet die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip. In einem durch die „Einheit von Volk und Staat“ geprägten Nationalstaat im Sinne der NPD ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Dieses Konzept widerspricht dem im menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips wurzelnden Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsangehörigen an der politischen Willensbildung. Außerdem tritt die NPD für die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der „Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat ein.
cc) Die NPD weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Das Konzept der „Volksgemeinschaft“, die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der NPD mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. Die Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus bestätigt deren Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
b) Einem Verbot der NPD steht aber entgegen, dass das Tatbestandsmerkmal des „Darauf Ausgehens“ im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfüllt ist. Die NPD bekennt sich zwar zu ihren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielen und arbeitet planvoll auf deren Erreichung hin, so dass sich ihr Handeln als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellt. Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht (aa), noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar (bb).
aa) Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen.
(1) Im parlamentarischen Bereich verfügt die NPD weder über die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, noch über die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Auf überregionaler Ebene ist sie gegenwärtig lediglich mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Die Wahlergebnisse bei Europa- und Bundestagswahlen stagnieren auf niedrigem Niveau. Die NPD hat es in den mehr als fünf Jahrzehnten ihres Bestehens nicht vermocht, dauerhaft in einem Landesparlament vertreten zu sein. Anhaltspunkte für eine künftige Veränderung dieser Entwicklung fehlen. Hinzu kommt, dass die sonstigen in den Parlamenten auf Bundes- und Landesebene vertretenen Parteien zu Koalitionen oder auch nur punktuellen Kooperationen mit der NPD bisher nicht bereit sind. Trotz ihrer Präsenz in den Kommunalparlamenten ist ein bestimmender Einfluss auf die politische Willensbildung auch in den kommunalen Vertretungskörperschaften weder gegeben noch zukünftig zu erwarten.
(2) Auch durch die Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung mit demokratischen Mitteln außerhalb des parlamentarischen Handelns hat die NPD in absehbarer Zeit keine Möglichkeit ihre verfassungsfeindlichen Ziele erfolgreich zu verfolgen. Vielmehr stehen einer nachhaltigen Beeinflussung der außerparlamentarischen politischen Willensbildung durch die NPD deren niedriger und tendenziell rückläufiger Organisationsgrad sowie ihre eingeschränkte Kampagnenfähigkeit und geringe Wirkkraft in die Gesellschaft entgegen. Eine Gesamtzahl von weniger als 6.000 Mitgliedern führt zu einer erheblichen Beschränkung der Aktionsmöglichkeiten der NPD. Es ist nicht ersichtlich, dass sie ihre strukturellen Defizite und ihre geringe Wirkkraft durch ihre Öffentlichkeitsarbeit oder die Umsetzung der „Kümmerer-Strategie“ im Wege „national-revolutionärer Graswurzelarbeit“ kompensieren könnte. Auch fehlen Belege, dass es der NPD gelingt, mit ihren asyl- und ausländerpolitischen Aktivitäten zusätzliche Unterstützung für ihre verfassungsfeindlichen Absichten in relevantem Umfang zu gewinnen. Ebenso hat sie es nicht vermocht   abgesehen von punktuellen Kooperationen   ihre Wirkkraft in die Gesellschaft durch die Schaffung rechtsextremer Netzwerke unter ihrer Führung zu erhöhen.
bb) Konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die darauf hindeuten, dass die NPD die Grenzen des zulässigen politischen Meinungskampfes in einer das Tatbestandsmerkmal des „Darauf Ausgehens“ erfüllenden Weise überschreitet, liegen ebenfalls nicht vor. Sie vermag Dominanzansprüche in abgegrenzten Sozialräumen nicht in relevantem Umfang zu verwirklichen. Der Kleinstort Jamel stellt einen Sonderfall dar, der nicht verallgemeinerungsfähig ist. Sonstige Beispiele erfolgreicher Umsetzung räumlicher Dominanzansprüche sind nicht ersichtlich. Eine Grundtendenz der NPD zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Absichten mit Gewalt oder durch die Begehung von Straftaten kann den im Verfahren geschilderten Einzelfällen (noch) nicht entnommen werden. Schließlich fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Schaffung einer Atmosphäre der Angst, die zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Freiheit des Prozesses der politischen Willensbildung führt oder führen könnte. Der Umstand, dass die NPD durch einschüchterndes oder kriminelles Verhalten von Mitgliedern und Anhängern punktuell eine nachvollziehbare Besorgnis um die Freiheit des politischen Prozesses oder gar Angst vor gewalttätigen Übergriffen auszulösen vermag, ist nicht zu verkennen, erreicht aber die durch Art. 21 Abs. 2 GG markierte Schwelle nicht. Auf Einschüchterung und Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen muss mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden, um die Freiheit des politischen Prozesses ebenso wie einzelne vom Verhalten der NPD Betroffene wirkungsvoll zu schützen.
Link zum vollständigen Urtreil des Bundesverfassungserichts:
 
 
 
 
  (Justizportal, Artikel-Nr. 12148 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 17.01.2017 12:58.

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