Vor 22 Jahren gründete Eberhard Busch in Staufen „Auerbachs Kellertheater“. Zur Eröffnung wurde - natürlich - „Faust“ gegeben, der Tragödie erster Teil. „Am zweiten Teil bin ich bislang gescheitert“, erzählt der Schauspieler und Regisseur. Dabei war es wohl eher die Zeit, die gefehlt hat. „Zum 25. Jubiläum werde ich es noch einmal angehen“, verspricht Busch.Alle andere als ein Provinztheater, ist das Haus auf dem
Staufener Rempart längst zu einer der bedeutendsten kulturellen Institutionen in
der Faust-Stadt avanciert. Nur etwa ein Drittel der Gäste kommt direkt aus
Staufen. Ebenso viele Fans hat die Bühne in Freiburg oder in der Schweiz. In
dem urigen Gewölbekeller, einst ein Schnapslager der Firma Schladerer, finden
100 Zuschauer Platz. Pro Jahr werden vier Stücke gespielt, jedes kommt im
Schnitt 30 Mal zur Aufführung.
„Wir spielen alles, was die Weltliteratur hergibt“, erklärt Busch,
egal ob klassisch, modern oder avantgardistisch. Manche Inszenierungen sind natürlich
besonders erfolgreich. George Bernard Shaws „Pygmalion“ war so ein Spitzenreiter.
Oder der Rekordhalter mit 68 Aufführungen: „Andorra“ von Max Frisch.
Auch das von Eberhard Busch selbst geschriebene „Ich hab im
Traum geweinet“ gehört in die Kategorie der Zugpferde. Das musikalische
Szenario erzählt von der Beziehungstriade zwischen dem jungen Johannes Brahms, der
von ihm geliebten Clara Schumann und ihrem Mann: Robert Schumann, der den Rest
seines Lebens in der Nervenheilanstalt verbrachte. Eberhard Buschs Ehefrau
Jasmin Islam, eine ausgebildete Konzertpianistin, brilliert hier in der Rolle der
großen, schönen Musikerin und Komponistin. Wolfgang Schäfer, Professor für
Chormusik, gibt einen würdigen Robert Schumann. „Die Leute rannten uns die Bude
ein“, staunt Busch über den Erfolg des Stücks. Für alle, die es verpasst haben:
demnächst komm es wieder auf den Spielplan.
Erfolgreiche Eigengewächse
Gerade die Stücke aus Buschs Feder erwiesen sich bisher als
regelrechte Publikumsmagneten. So wie „Sutter“, eines der Eigengewächse mit
regionalem Bezug. Berichtet wird die (1936 auch von Luis Trenker verfilmte)
Geschichte über Aufstieg und Fall des einst aus Kandern ausgewanderten „Kaisers
von Kalifornien“.
Ein weiteres Busch-Stück, „Der Fall Bollinger“, spielt gar
in Staufen. Hier kam es Mitte des 19. Jahrhunderts zur letzten öffentlichen Hinrichtung.
Bollinger, ein Bauer aus Ehrenstetten, war seinerzeit zum Tod durch das Schwert
verurteilt worden. Aus Eifersucht und verschmähter Liebe hatte er eine junge
Frau erwürgt, ihre Leiche sieben Kilometer weit durch den Wald geschleppt und sie
dann in einem so genannten „Lingleloch“ 50 Meter tief im Erdreich versenkt. Ein
vierseitiges Gerichtsprotokoll über Prozess und Hinrichtung bildete die historische
Grundlage für Buschs Theaterfassung. Das Stück ist im Dialekt verfasst: „Ich
kann zwar kein alemannisch sprechen, aber ich kann es schreiben“.
Eberhard Busch stammt aus Sachen-Anhalt. Zunächst hatte er
in Weimar ein Musikstudium begonnen. Probleme mit dem Arm zwangen ihn
schließlich, die Geige an den Nagel zu hängen. Die daraufhin ebenfalls in
Weimar begonnene Lehre als Schriftsetzer beendete er in Stuttgart. Denn 1961, „drei
Wochen vor dem Mauerbau“, flüchtete Eberhard Busch in den Westen.
Soldat in viel zu großer Hose
In Stuttgart war es auch, wo er schließlich vom schicksalsschweren
Schauspielvirus infiziert wurde. „Als man dort das neue Theater baute, ging ich
täglich hin, um die Fortschritte zu begutachten“. Irgendwann fragte er einen
Mitarbeiter, ob er nicht eine Statistenrolle haben könne. „Man steckte mich in
eine viel zu große Hose“, erzählt Busch, „und plötzlich hatte ich als Soldat in
‚Dantons Tod’ meinen ersten kleinen Auftritt.“ Für ihn stand fest, was er
werden wollte. Das Schauspielstudium absolvierte er ebenfalls in Stuttgart.
Als Schauspieler, Regisseur und Synchronsprecher führten ihn
spätere Engagements unter anderem nach Berlin, Frankfurt, Dortmund, Augsburg, Wilhelmshaven
und Freiburg, unterbrochen von einem „Aussteigerjahr“ in Italien, das er mit
dem Verkauf von Glaswaren finanzierte. Dass er schließlich in Staufen Fuß
fasste, hat er nie bereut. „Es ist toll hier“, sagt Eberhard Busch.
350 Mal „Das kalte Herz“
Den Grundstein zur Selbstständigkeit legte er übrigens mit
einem fahrenden Kindertheater, das in allen möglichen Schulen im südbadischen
Raum gastierte. Allein „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff kam rund 350 mal zur
Aufführung. Mit der Option auf den Gewölbekeller entschied er sich dann für ein
festes kleines Theaterhaus. „Ich muss keine Miete bezahlen“, berichtet Busch,
„ansonsten führe ich einen subventionsfreien Ein-Mann-Betrieb“.
So ist denn auch der Tagesablauf ganz dem Theater gewidmet.
Der Leiter selbst kümmert sich um alles, was anfällt - vom Toilettenputz bis
zum Kulissenbau. Und natürlich schlüpft er selbst immer wieder in eine seiner
ungezählten Rollen, gibt Faust, seinen Liebling Peer Gynt oder ab kommendem Oktober
- unter der Regie von Martin Mayer - den alten Musikus Miller in Schillers
„Kabbale und Liebe“.
Busch ist von der Schauspielerei noch immer genauso
fasziniert wie in den ersten Tagen in Stuttgart. „Ich bin kein Schauspieler mit
Sendungsbewusstsein“, erklärt er, „aber es ist großartig, sich in andere
Personen hinein zu versetzen, in andere Konstellationen, andere Zeiten“.
Internet: www.auerbachs-kellertheater.de