Regionalia
Staufen
Donnerstag, 14. November 2024
ISSN 2698-6949
www.Regionalia.de/staufen
Zeitungen+Fernsehen für freies Wissen und wahre Information

Leser-Optionen

Artikel vorschlagen

NEU: 1-Klick Abo

Benutzer-Optionen

Services

 Service      Kontakt
  RSS     Impressum & Datenschutzerklärung
  Übersetzen

             

Weitere Ausgaben

DIE MODERNE ZEITUNG
Regionale Online-Nachrichten

Fremde Anzeigen

Gesellschaft+Porträt

Alles andere als Provinztheater

Eberhard Busch gründete das Theater vor 22 Jahren. Im Sommer wird draußen gespielt. Der Garten bietet rund 120 Gästen einen Platz. (Bild: vz)

An Eugène Ionescos Theaterstück „Die Stühle“ erinnert sich Eberhard Busch besonders gerne. Das Drama kam beim Publikum nämlich überhaupt nicht an. Nur die Premiere war ausverkauft. „Und das“, schmunzelt Busch, „obwohl es in unserer gesamten Geschichte die einzige Aufführung war, bei der ein nackter Busen gezeigt wurde“. Für den Regisseur war die Flaute kein Grund zur Betrübnis. Üblicherweise sind die Inszenierungen in „Auerbachs Kellertheater“ schon Wochen im Voraus ausgebucht. 

Vor 22 Jahren gründete Eberhard Busch in Staufen „Auerbachs Kellertheater“. Zur Eröffnung wurde - natürlich - „Faust“ gegeben, der Tragödie erster Teil. „Am zweiten Teil bin ich bislang gescheitert“, erzählt der Schauspieler und Regisseur. Dabei war es wohl eher die Zeit, die gefehlt hat. „Zum 25. Jubiläum werde ich es noch einmal angehen“, verspricht Busch.

Alle andere als ein Provinztheater, ist das Haus auf dem Staufener Rempart längst zu einer der bedeutendsten kulturellen Institutionen in der Faust-Stadt avanciert. Nur etwa ein Drittel der Gäste kommt direkt aus Staufen. Ebenso viele Fans hat die Bühne in Freiburg oder in der Schweiz. In dem urigen Gewölbekeller, einst ein Schnapslager der Firma Schladerer, finden 100 Zuschauer Platz. Pro Jahr werden vier Stücke gespielt, jedes kommt im Schnitt 30 Mal zur Aufführung.

„Wir spielen alles, was die Weltliteratur hergibt“, erklärt Busch, egal ob klassisch, modern oder avantgardistisch. Manche Inszenierungen sind natürlich besonders erfolgreich. George Bernard Shaws „Pygmalion“ war so ein Spitzenreiter. Oder der Rekordhalter mit 68 Aufführungen: „Andorra“ von Max Frisch.

Auch das von Eberhard Busch selbst geschriebene „Ich hab im Traum geweinet“ gehört in die Kategorie der Zugpferde. Das musikalische Szenario erzählt von der Beziehungstriade zwischen dem jungen Johannes Brahms, der von ihm geliebten Clara Schumann und ihrem Mann: Robert Schumann, der den Rest seines Lebens in der Nervenheilanstalt verbrachte. Eberhard Buschs Ehefrau Jasmin Islam, eine ausgebildete Konzertpianistin, brilliert hier in der Rolle der großen, schönen Musikerin und Komponistin. Wolfgang Schäfer, Professor für Chormusik, gibt einen würdigen Robert Schumann. „Die Leute rannten uns die Bude ein“, staunt Busch über den Erfolg des Stücks. Für alle, die es verpasst haben: demnächst komm es wieder auf den Spielplan.

Erfolgreiche Eigengewächse

Gerade die Stücke aus Buschs Feder erwiesen sich bisher als regelrechte Publikumsmagneten. So wie „Sutter“, eines der Eigengewächse mit regionalem Bezug. Berichtet wird die (1936 auch von Luis Trenker verfilmte) Geschichte über Aufstieg und Fall des einst aus Kandern ausgewanderten „Kaisers von Kalifornien“.

Ein weiteres Busch-Stück, „Der Fall Bollinger“, spielt gar in Staufen. Hier kam es Mitte des 19. Jahrhunderts zur letzten öffentlichen Hinrichtung. Bollinger, ein Bauer aus Ehrenstetten, war seinerzeit zum Tod durch das Schwert verurteilt worden. Aus Eifersucht und verschmähter Liebe hatte er eine junge Frau erwürgt, ihre Leiche sieben Kilometer weit durch den Wald geschleppt und sie dann in einem so genannten „Lingleloch“ 50 Meter tief im Erdreich versenkt. Ein vierseitiges Gerichtsprotokoll über Prozess und Hinrichtung bildete die historische Grundlage für Buschs Theaterfassung. Das Stück ist im Dialekt verfasst: „Ich kann zwar kein alemannisch sprechen, aber ich kann es schreiben“.

Eberhard Busch stammt aus Sachen-Anhalt. Zunächst hatte er in Weimar ein Musikstudium begonnen. Probleme mit dem Arm zwangen ihn schließlich, die Geige an den Nagel zu hängen. Die daraufhin ebenfalls in Weimar begonnene Lehre als Schriftsetzer beendete er in Stuttgart. Denn 1961, „drei Wochen vor dem Mauerbau“, flüchtete Eberhard Busch in den Westen.

Soldat in viel zu großer Hose

In Stuttgart war es auch, wo er schließlich vom schicksalsschweren Schauspielvirus infiziert wurde. „Als man dort das neue Theater baute, ging ich täglich hin, um die Fortschritte zu begutachten“. Irgendwann fragte er einen Mitarbeiter, ob er nicht eine Statistenrolle haben könne. „Man steckte mich in eine viel zu große Hose“, erzählt Busch, „und plötzlich hatte ich als Soldat in ‚Dantons Tod’ meinen ersten kleinen Auftritt.“ Für ihn stand fest, was er werden wollte. Das Schauspielstudium absolvierte er ebenfalls in Stuttgart.

Als Schauspieler, Regisseur und Synchronsprecher führten ihn spätere Engagements unter anderem nach Berlin, Frankfurt, Dortmund, Augsburg, Wilhelmshaven und Freiburg, unterbrochen von einem „Aussteigerjahr“ in Italien, das er mit dem Verkauf von Glaswaren finanzierte. Dass er schließlich in Staufen Fuß fasste, hat er nie bereut. „Es ist toll hier“, sagt Eberhard Busch.

350 Mal „Das kalte Herz“

Den Grundstein zur Selbstständigkeit legte er übrigens mit einem fahrenden Kindertheater, das in allen möglichen Schulen im südbadischen Raum gastierte. Allein „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff kam rund 350 mal zur Aufführung. Mit der Option auf den Gewölbekeller entschied er sich dann für ein festes kleines Theaterhaus. „Ich muss keine Miete bezahlen“, berichtet Busch, „ansonsten führe ich einen subventionsfreien Ein-Mann-Betrieb“.

So ist denn auch der Tagesablauf ganz dem Theater gewidmet. Der Leiter selbst kümmert sich um alles, was anfällt - vom Toilettenputz bis zum Kulissenbau. Und natürlich schlüpft er selbst immer wieder in eine seiner ungezählten Rollen, gibt Faust, seinen Liebling Peer Gynt oder ab kommendem Oktober - unter der Regie von Martin Mayer - den alten Musikus Miller in Schillers „Kabbale und Liebe“.

Busch ist von der Schauspielerei noch immer genauso fasziniert wie in den ersten Tagen in Stuttgart. „Ich bin kein Schauspieler mit Sendungsbewusstsein“, erklärt er, „aber es ist großartig, sich in andere Personen hinein zu versetzen, in andere Konstellationen, andere Zeiten“.

Internet: www.auerbachs-kellertheater.de

Autor:  vz (Staufener Nachrichten, Artikel-Nr. 1290 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 12.08.2009 19:47.

  Artikel drucken (Druckansicht)
 Artikel per Email weiterempfehlen
 Anonymer Hinweis zum Artikel
 Artikel verlinken
Artikel zu Social-Bookmarking-Diensten hinzufügen:
| Mehr


Eberhard Busch in seinem Kellertheater. Gerade wird umgebaut. (Bild: vz)  

Regisseur, Schauspieler und Theaterleiter Eberhard Busch (Bild: vz)  

Hereinspaziert! Hereinspaziert! (Bild: vz)  
 


Seitenanfang

© 2009-2021 Regionalia – Regionale Online-Nachrichten – Zeitungen+Fernsehen für freies Wissen und wahre InformationImpressum & Datenschutzerklärung

14.11.2024 18:32:55
Ihre IP-Adresse: 3.145.100.144