Am Mittwoch, den 19. 05. 2010, ist eine Delegation von Gottenheimer und Umkircher Gemeinderäten (m/w) auf Einladung des Vorsitzenden des Entwässerungsverbandes Moos und Gottenheimer Bürgermeisters, Volker Kieber, nach Karlsruhe gefahren. Im dortigen Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) war ein maßstabsgetreues Modell des neu zu errichtenden Hochwasserrückhaltebeckens Dietenbach aufgebaut worden. Unterstützt durch Erläuterungen der verantwortlichen Wasserbauingenieure konnten sich die Gemeinderätinnen und - räte ein Bild von der komplexen Anlage machen.
Zunächst wurde die siebenköpfige Gruppe in einem Seminarraum vom stellvertretenden Institutsleiter Boris Lehmann und dem Entwickler des Modells, Thomas Mohringer, in den Sinn des Modellbaus im Allgemeinen und den Zweck des Dietenbachmodells im Speziellen eingeführt. Für wasserbauliche Großprojekte, so die Experten, sei eine dreigliedrige Modellplanung aus Gründen der Planungssicherheit, der Machbarkeit sowie der Untersuchung von Varianten und der System- wie Prozessoptimierung notwendig. Von Mathematikern werden zunächst numerische Modelle erstellt. Hydrologen und Meteorologen liefern gesammelte Daten für die Aufstellung von statistischen Modellen. Schließlich werden, wie im Falle des Hochwasserrückhaltebeckens Dietenbach, physikalische Modelle, also maßstabsgetreue Nachbauten erstellt. Diese seien gerade im Wasserbau von großer Bedeutung, so Lehmann, da sich komplizierte Strömungen nicht 100%tig berechnen ließen. Anhand von Folien erläuterte Thomas Mohringer anschließend die Besonderheiten des Dietenbachbeckens. Eine Besonderheit sei, neben der Lage in einem Waldgebiet, das große Trogbauwerk mit „Überfallkanten“, über die im Extremfall Wasser austreten könne, wenn die drei motorbetriebenen Schützöffnungen blockierten und das Durchflussbauwerk durch Treibgut verstopft würde („worst- case“- Szenario). Ein weiteres Merkmal stellten die beidseitigen „Bermen“ im Durchlassbauwerk dar. Die 90 cm breiten erhöhten Kanten entlang der Abflussrinne ermöglichen es Tieren, das Bauwerk zu durchlaufen und so die Autobahn sowie die zukünftigen Bahngleise zu unterqueren. Ebenfalls zusammen mit Ökologen entwickelt wurden Ausstiegshilfen innerhalb der 7, 5 Meter breiten Unterführung, die es Tieren erleichtern sollen vom Wasser auf die „Bermen“ zu gelangen. Das Gesamtbauwerk sei bis zum BHQ2- Standard ausgelegt, also für Hochwasser gebaut, die statistisch nur alle 5000 Jahre vorkommen, erklärte Mohringer weiter. Aufgrund des Klimawandels, so die Wissenschaftler, wäre eine derartige Belastbarkeit keineswegs übertrieben.
Nach soviel Theorie ging es für die Gäste aus Gottenheim und Umkirch nun „in medias res“. In der 2500m² großen Modellbauhalle des Instituts konnte das Rückhaltebauwerk im Maßstab 1:12 bei bewundert werden. Mit einem Knopfdruck erzeugte Wasserbauer Mohringer verschiedene Hochwasserstärken, bei denen das 50. 000- Euro- Modell seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen konnte. Dass Modelle keine Geldverschwendung seien, erläuterte Lehmann auch unter einem recht greifbaren Gesichtspunkt: Das IWG übernehme für das spätere Originalbauwerk die Gewährleistung, zumindest was die von den Wissenschaftlern zu verantwortenden Berechnungen und ihre planerische wie bauliche Umsetzung beträfe.
Hartnäckig hatte schon zu Beginn der Veranstaltung der Umkircher Gemeinderat Erhard Haas (SPD) auf die Schattenseite des Anlasses aufmerksam gemacht. Ob denn das alte Rückhaltebecken nicht weiter ausgereicht hätte, das neue Großprojekt also nur aufgrund des geplanten Ausbaus der Rheintalbahn nötig würde, wollte er von Boris Lehmann wissen. Lehmanns Antwort ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es hätte, so der Experte, durchaus ausgereicht, das alte Bauwerk zu optimieren sowie den marode gewordenen Damm zu sanieren. Der Neubau der Anlage sei lediglich wegen des längeren Abflussbauwerkes notwendig, das wiederum eine unmittelbare Folge der Bahntrasse wäre. „Wenn die Bahn nicht zahlt“, so der stellvertretende Institutsleiter,“ haben sie sich über den Tisch ziehen lassen.“ Damit hatte Lehmann unbeabsichtigt die passenden Worte für ein weiteres Ärgernis in Sachen Hochwasservorsorge gefunden. Ende der 80er Jahre hatte sich die Stadt Freiburg, auf deren Gemarkung das Rückhaltebecken liegt, mit einer eher unspektakulären Summe aus der Verantwortung „frei gekauft“, die seitdem allein bei den Unterliegergemeinden Umkirch und Gottenheim liegt. „Freiburgs Hochwasserschutz heißt Dreisam“, so Ingenieur Lehmann lakonisch. Der größte Flächenversiegler der Region lässt sein Problem seit dem umstrittenen Deal einfach Richtung Westen rauschen. Zumindest vom Bauherrn der in ihrer Ausführung ohnehin stark umstrittenen neuen Rheintalbahn, der Deutschen Bahn AG, sollte der Entwässerungsverband Moos aber eine angemessene Beteiligung am neuen Rückhaltebecken erwarten können, was bei der bekannten „Großzügigkeit“ der Bahn AG sicher nicht einfach auszuhandeln sein wird. Mögen die Gelder fließen!
Autor: Julius W. Steckmeister (Umkircher Nachrichten, Artikel-Nr. 2281 ISSN 2698-6949)