Um 19 Uhr 40 eröffnete Bürgermeister Walter Laub die Bürgerversammlung im voll besetzten Gemeindesaal. Das Interesse an der Veranstaltung war dermaßen groß, dass noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten. Laub betonte die Bedeutung der Versammlung als Ort des „Gedankenaustauschs zwischen Gemeindeverwaltung und Bürgern“ als Gelegenheit zur „Erörterung und Beratung wichtiger Gemeindeanliegen“.
„Ad fontes“ - Umkirch bohrt nach neuer Wasser-Quelle
Im Frühjahr 2009 wurden auf der Umkircher Gemarkung unter Leitung eines Geologen vier Probebohrungen zu Erschließung neuer Grundwasserreservoire durchgeführt. Diese Bohrungen, so führte der Bürgermeister in das erste Thema des Abends ein, seien nötig geworden, da die beiden Umkircher Tiefbrunnen zum einen sehr betagt seien (1954 und 1973) und zum anderen Grundwasser aus dem gleichen Zustrombereich bezögen. Im Falle einer Verschmutzung der Wasserreserve wäre die Trinkwasserversorgung nicht mehr gewährleistet. Vorgehensweise und Ergebnisse der Bohrungen erläuterte anschließend der verantwortliche Diplom Geologe A. Pikulski in einer eindrucksvollen hydrogeologischen Vorlesung. Ziel war, so Pikulski, bei den Bohrungen mit einer Tiefe zwischen 90 und 130 Metern auf die so genannte Hauptrogenstein- Formation zu stoßen, da es sich bei dieser um die Grundwasser führende Erdschicht handelt. Zwar war diese nur im Oberrheintal anzutreffende Formation bei allen vier Bohrungen erreicht worden, jedoch nur bei Bohrung Nr. 3 (Nähe Grillplatz) und Nr. 4 (Nähe „Im Schorren“) auch in einer für die langfristige Wasserversorgung ausreichenden „Mächtigkeit“ (= Dicke). Die anschließende hydrochemische Analyse des Grundwassers hatte, so Pikulski weiter, ausgezeichnete Ergebnisse geliefert. Das Wasser aus beiden Bohrungen entspricht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung, so dass eine teure Aufbereitung, wie bei den jetzigen Brunnen, überflüssig würde. Auch die bakteriologischen Untersuchengen seien durchweg positiv verlaufen. Die Bohrungen sind somit als Erfolg zu betrachten, da zwei Standorte gefunden wurden, die sowohl von der Qualität als auch von der Ergiebigkeit für die Trinkwasserversorgung geeignet wären.
Eine Bürgerfrage dämpfte den Optimismus allerdings ein wenig. Ob denn sichergestellt sei, dass es in Folge einer größeren Wasserentnahme und des dann entstehenden Unterdrucks gegenüber dem jetzigen Überdruck (und durch den auf die Wasserblase aufgeladenen schweren Müllberg) nicht zu Verrieselung, dem Nachfließen verschmutzten Wassers, zum Beispiel aus dem Bereich der Umkircher Hausmülldeponie, kommen könne, wollte ein interessierter Zuhörer wissen. Man müsse doch die Fliessrichtung des die Quelle speisenden (nachfüllenden) Wassers untersuchen. Mit einer toten Wasserprobe zum jetzigen Zeitpunkt gewinne man keine zuverlässigen Erkenntnisse. Geologe Pikulski erklärte, dass dies Faktoren seien, die selbstverständlich noch geprüft werden müssten. Im Moment würde laufend beobachtet, woher das Grundwasser zuströmt und die Fließrichtung erkundet. Ebenso würden die Opfinger Baggerseen untersucht und monatliche Schadstoffmessungen durchgeführt. Bürgermeister Laub ergänzte, dass um einen potentiellen neuen Brunnen auch erst ein Wasserschutzgebiet ausgewiesen werden müsste. Die endgültige Inbetriebnahme einer zweiten Quelle liegt also noch in fernerer Zukunft.
Rosenstiel beißt auf Granit - oder doch Porphyr?
Im Rahmen des Weihnachtsmarktes am 05. 12. werde, stieg Walter Laub in Thema Nummer Zwei ein, nach eineinhalb Jahren Bauzeit Umkirchs „Vorzeigeprojekt“, der sanierte Gutshof, eingeweiht. Alle Läden seien inzwischen vermietet und auch die Gastronomie wäre sehr zufrieden. Projektleiter Willi Sutter und Investor Markus Rogg seien für die Gemeinde „ein echter Glücksfall“ gewesen, betonte Laub. Aber ohne Verschuldung und Förderung aus Landesmitteln wäre das Projekt eine Vision geblieben. Vorraussetzung für die Aufnahme in das Landessanierungsprogramm war aber, erklärte der Bürgermeister, die Neugestaltung der gesamten Ortsmitte. Bei einer Ausschreibung hatte sich das Büro des Architekten und Stadtplaners Volker Rosenstiel mit seinem Konzept durchgesetzt. Anhand eines Modells und einer Bildpräsentation hatte der Architekt nun Gelegenheit den Umkircher Bürgern ihre neue Ortsmitte zu präsentieren. Die Umgestaltung erstrecke sich, erklärte der Architekt, im Wesentlichen auf zwei Bauabschnitte. Erstens den Gutshof mit Gutshofplatz, Gutshofstraße und der so genannten Remise und zweitens der Umgestaltung der Hauptstraße. Bauabschnitt Eins würde 2010 fertig gestellt. Bereich Zwei würde im Jahr 2011 angegangen, da erst mit Fertigstellung der B31- West bis Gottenheim die Herunterstufung der Hauptstraße von der Land- zur Kreisstraße möglich sei. Abschnitt Eins und Zwei würden sich zu einer sinnvollen Einheit ergänzen, deren zentrale Themen Transparenz, Straßenbegrünung und Verkehrsverlangsamung unter anderem durch Pflasterung der Hauptstraße seien. Eine Ortsmitte, so Rosenstiel, sei „Identifikationspunkt und Beheimatung der Bürger“. Mittelpunkt des Konzepts stelle eine Sichtachse vom Rathaus über den Gutshofplatz bis zur Kirche dar, um diesen Identifikationspunkt kenntlich zu machen. Ein entsprechendes Lichtkonzept sollte diese Idee auch bei Dunkelheit erkennen lassen.
Im Visier des Architekten und mitten in seiner Sichtachse befindet sich die Gutshofmauer. Sie sei „fachlich Quatsch, da sie die attraktive Ortsmitte verstecke“.
Rosenstiel hatte ganz offensichtlich den Nerv betroffener Umkircher getroffen! Aber leider nicht so, wie er wohl erhofft hatte. Denn der studierte Stadtplanungs-Fachmann wurde von den Bürgern belehrt, die keine Fachleute für Orts-Planung sind jedoch ihre Interessen vertraten. Dies zeigten im Folgenden die zahlreichen Zuschauereinwürfe. Die "Reklamations-Gesellschaft" legte los: Die geplante Pflasterung der Hauptstraße, so fanden einige Bürger, würde nur zu einer steigenden Lärmbelästigung der Anwohner führen. Durch den dauernden Lieferverkehr und die zu erwartende Lärmbelästigung durch Nutzer des Carports seien die Anlieger des Gutshofs schon genug „gestraft“. Auf Granitplatten, die Gehwege zierten, könne man im Winter Schlittschuhlaufen, so ein weiterer Einwand. Bänke auf dem Gutshofplatz würden nur Jugendliche zum Herumlungern einladen, war eine weitere Befürchtung. Die liebgewordene Ampel an der Kreuzung Hugstetter Straße gegen einen für Fußgänger unüberwindbaren Kreisverkehr auszutauschen, stieß auch auf wenig Begeisterung. Biestige Bäume an der Hauptstraße würden den schon Polterpflasterlärm geplagten Anwohnern nun auch noch "Laubberge" vor die Haustüren schleudern und die Entfernung der hässlichen Gutshofmauer grenze an ein Sakrileg. „Muss denn erst ein Kind sterben“, malte gar ein Vater und eine Mutter den Teufel an die Wand? Sie befürchteten, auf einem mauerlosen Gutshof könnten tummelnde (unbeaufsichtigte?) Kinder statt gegen eine Wand auf die Straße laufen. Was allerdings auf jedem Platz der Welt geschehen könnte, wenn es kein eingezäumter Spielplatz ist. Bürgermeister Laub bezeichnete diesen Einwand denn auch als „Totschlag-Argument“, das man für jede Gefahr anwenden könne, auch bevor man sich ins Auto setze. Was geschieht, wenn ein unbeaufsichtigtes Kind plötzlich, vielleicht weil die Mutter mit der Freundin im Gutshof-Cafe schwatzen will, durch das Tor in der Mauer auf die Straße läuft, blieb unerwähnt. Denn dies ist eine zuverlässige Erkenntnis aus dem Straßenverkehr: Plötzlich auftretende Gefahren sind größer sind als von weitem bereits erkennbare. So zum Beispiel, wenn der Autofahrer die Gefahr durch vom Gutshofplatz laufende Kinder durch fehlende Mauer erkennen kann.
"Hornberger Schiessen" nach Umkirch verlagert?
Vorsichtig präsentierte Rosenstiel zum Thema Mauer verschiedenste Friedensangebote: kleine Poller, durchbrochene Mauerfragmente oder vielleicht doch putzige Pflanzenkübel? In Hornberg, die Umgestaltung des Ortskerns der Schwarzwaldgemeinde hatte Rosenstiel bereits durch- und einer Umkircher Delegation vorgeführt, seien die Einwohner doch auch sehr glücklich, betonte der Architekt mehrfach. Schon fast mitleidsvoll schlug ein Bürger dem Bürgermeister vor, eine „Mauerlösungswunschliste“ auszuhängen und über die vier meistgeforderten Lösungen demokratisch abstimmen zu lassen, um zu erkennen, für welche der vielen Varianten die Bürger-Mehrheit ist. Denn so viele verschiedene Bürgerwünsche könne der arme Bürgermeister unmöglich unter einen Hut bringen. Nicht immer stellen die laut Schreienden und die "Betroffenen" die Mehrheit sondern die Mehrheit steht oft jenseits von ihnen. Es ist noch nicht klar, wie viele Bürger den neuen Rathausplatz stark nutzen und wie viele ihn nur "flüstern" lassen wollen. Ein Mitglied des „Herrenstammtisches“, der im Übrigen geschlossen für den Erhalt der Gutshofmauer sei, rief daraufhin zu einer sofortigen Abstimmung im Saal auf. „So toll war die Mehrheit nicht“, kommentierte der Bürgermeister die gute Hälfte erhobener Hände für den Mauererhalt. Rund 115 Zustimmungen bei etwa 230 Zuhörern sind bei mindestens 2500 Wahlberechtigten also keine Mehrheit. Denn erfahrungsgemäß kommen in solche Versammlungen in erster Linie Betroffene. Die große Mehrheit der Bürger könnte bei einer Befragung auch dafür sein, dass die Ortsmitte, so wie in allen Gemeinden des Landes, aktiv und lebendig von den Bürgern genutzt wird. Dafür ist ein Bürgerplatz ja schließlich da, dafür wurde er gebaut. Wer in die Ortsmitte zieht oder dort bleibt, kann keine „Friedhofsruhe“ erwarten. Jeder Ortsmittelpunkt oder Marktplatz der Welt ist nicht leise, sondern laut. Dafür hat die Ortsmitte auch wieder viele Vorteile: Wer dort wohnt hat einen Blick auf das Leben im Dorf, ist nah dran und hat kurze Wege. Während die anderen Bürger lange Wege haben können die Bewohner der Ortsmitte vieles zu Fuß erledigen. So hat manche „Lage“ eben Vorteile und Nachteile. Doch am liebsten wollen die Bürger natürlich nur die Vorteile. Also Ortsmitte und Ruhe. Doch auf welchem Stern gibt es das schon: Nur Vorteile und keine Nachteile?
„Eine bessere Optik erfordert Opfer“, fasste der Architekt die Diskussion zusammen. Es bleibt abzuwarten, ob die Umkircher bereit sind, diese Opfer zu bringen, oder ob die Erneuerung der Ortsmitte ausgeht, wie das berühmte „Hornberger Schießen“, oder am Kleingeist des Egoismus scheitert.
In eigener Sache –
Die Gemeinde wird mit den Gemeindewerken (GWU) zum "Konzern" - oder zur Markt sichernden "Vertriebsstelle" von Badenova?
Das letzte Thema des Abends eröffnete der Bürgermeister mit der Vorstellung der neuen Gemeindewerke Umkirch. Ab 2010 befindet sich das Strom- und Gasnetz im Gemeindeeigentum. Neuer Anbieter ist die GWU, die zu 60% der Gemeinde und zu 40% dem Partnerunternehmen „badenova“ gehört. Unter fünf verschiedenen Energiekonzernen habe man sich letztlich für die Zusammenarbeit mit dem Freiburger Unternehmen entschieden, da dieses für ein „gutes Angebot, regionale Verankerung und eine ökologische Ausrichtung“ stünde. Grund für die Gründung der GmbH sei, so erklärte Laub, dass Strom-, Gas- und Wassernetze eine kommunale Daseinsvorsorge darstellten. Außerdem würden durch die Verlegung zweier unabhängiger Kabel Stromausfälle zukünftig weitestgehend vermieden. Vorstand Nikolai von der „badenova“ bedankte sich beim Bürgermeister und dem Gemeinderat für die Entscheidung für sein Unternehmen. Und das konnte er wohl auch, denn er hatte sich mit dem Vertrag den Umkircher Markt erschlossen. Das Stadtwerk der Zukunft, so Nikolai, sei nicht mehr bloßer Versorger sondern Dienstleister. Und Dienstleistung kostete wohl Geld, doch das sagte er nicht. Ein Zeichen dieses Dienstleistungsgedankens wäre der neue Ansprechpartner in Sachen Energieversorgung, der ab dem nächsten Jahr „vor Ort installiert werden würde“. Und der wohl, wie auch die Verwaltung der Gemeindewerke, die Bilanzen, Sitzungen, Verwaltungsräte, Berater, Werbungen, Geld kosten. Wie denn sichergestellt werden könnte, dass kein Atomstrom eingespeist wird, wollte ein umweltbewusster Besucher wissen. „Physisch“ könne dies natürlich nicht verhindert werden, so die etwas ernüchternde Antwort, allerdings würde lediglich atomstromfreie Energie eingekauft, was die Bedeutung alternativer Energiegewinnung im Laufe der Zeit vergrößern würde. Regionalia stellt klar: Es gibt in Umkirch keine 2500 Einzel-Verbindungen zur individuellen Energie-Einspeisung in jeden Haushalt, sondern eine dicke Gesamtleitung, an deren Zugängen Energie eingespeist wird. Die Zuspeisung erfolgt durch die Energie-Produzenten. Man kann dem Strom nicht ansehen, aus welcher Quelle er stammt und ob es Atom-Strom oder Naturkraft-Strom ist. Das ganze ist nur eine Verrechungs-Größe. Über den Zähler der Kunden ermitteln die Händler, welche Energiemengen die "Energie-Dealer" untereinander verrechnen und welche Mengen-Rabatte sie von den Energie-Produzenten darauf erhalten. Die Energie-Händler sammeln also mit ihren Vertriebs-Konzepten bei den Haushalten über die Zähler Energie-Verrechnungs-Mengen ein, die sie dann mit den Energie-Erzeuger-Konzernen abrechnen. Es ist unwahrscheinlich, dass auf Dauer der Händler einer Ware bei Berücksichtigung seiner Kosten günstiger sein kann als der Hersteller. Kurzfristig kann dies allerdings, falls unter den Herstellern Preisabsprachen bestehen die durch die Händler unterboten werden, geschehen. Um möglichst viele Verbraucher einzusammeln, bemühen die Energie-Dealer derzeit viele Werbeargumente. So auch das Argument "atomfrei". Doch auch Badenova hängt nicht ausschließlich an einem "atomfreien" Stromnetz, sondern bezieht Strom von den großen Produzenten. Und was die tatsächlich "einfließen" lassen, sieht man dem Strom nicht an.
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Weitere Zuhörer forderten vor allem eine bequeme Möglichkeit des Ummeldens durch die Verteilung entsprechender Formulare und eventuelle Hilfe beim Ausfüllen dieser Anträge, die von Kämmerer und GWU- Geschäftsführer Markus Speck selbstverständlich zugesagt wurde.
"Meister Lampe" macht Turbulenzen gegen Bahn-Lärm
Mit dem „Werbeblock“ (Bürgermeister Laub) des Sprechers von „IGEL e. V.- Umkirch“, Uwe Lampe, in Sachen Einwendungen Rheintalbahn endete der turbulente und engagierte Abend im Umkircher Gemeindesaal.
Autor: J.W. Steckmeister, Regionalia-Redaktion Umkirch