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Umkirch
Freitag, 15. November 2024
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Was auf die Ohren - Umkircher Gemeinderat kann auch laut!

Anflug auf Ortskern Umkirch über abgelehnte Granitberge (Bild: J. W. Steckmeister)

Umkirchs Semper heißt Sutter? Bei ihrer Sitzung am 26. April befassten sich die Gemeinderäte mit den Umkircher Werken des Baumeisters Sutter und hatten der umstrittenen Akustik im Bürgersaal in jeder Beziehung den Kampf angesagt: es gab Mikrophone und wurde auch sonst mal lauter. Dezibel steigernde Themen waren insbesondere die Sanierung der Turn- und Festhalle, die Ortskernneugestaltung und die umstrittene Bürgschaft für die Gemeindewerke Umkirch (GWU), der die Bürgervertreter (m/w) mit knapper Mehrheit eine Absage erteilten. 

Zur Einstimmung in einen Trommelfell zehrenden Abend wies Bürgermeister Walter Laub auf den Testlauf der zur besseren Verständlichkeit vor allem im Zuschauerbereich zunächst nur geliehenen Mikrophone für die Gemeinderäte/Innen hin. Einer der Zuschauer beschwerte sich, nichts zu hören und Jörg Kandzia (CDU) stieß versehentlich mit seinen Unterlagen gegen eines der Tischmikrophone, was einen wahren Donnerhall erzeugte. Anträge zur Tagesordnung lagen keine vor.

Unter TOP 1: Bürgerfragestunde wollte der Vorsitzende der Umkircher BI "Igel e. V.", Uwe Lampe, wissen, warum Umkirch noch nicht der neuen Anti- Bahnlärm- Initiative „Baden 21“ beigetreten sei. Bürgermeister Laub erklärte, dass Umkirch bereits Mitglied in zahlreichen Initiativen sei und baldmöglichst auch „Baden 21“ beitreten werde: „Wir machen da auf jeden Fall mit!“. Ein zweiter Bürger hatte sein Lexikon mitgebracht, um allen Anwesenden deutlich zu machen, was eine Orangerie in der Alt-Definititon  ist - ein Aufenthaltsraum für Orangenbäume - und vor allem, was sie nicht ist, nämlich das im Queen- Auguste- Victoria- Park geplante Veranstaltungsgebäude für abgeblich rund 800 (wohlmöglich motorisierte) Gäste. Nach einem „tiefen Luftholen“ erklärte Walter Laub geduldig in sein Mikrophon, dass seit jeher Orangerien nicht nur von Orangen genutzt worden seien sondern auch von Menschen und dass der Flächennutzungsplan im Gemeinderat seinerzeit einstimmig zugunsten des geplanten Gebäudes geändert worden sei. Es ginge also um eine baurechtliche nicht um eine lexikalische Frage für die geplante Orangerie im Aussenbereich, mit direktem Anschluss an die Kreisstraße. „Bürgschaft ist kein Spaßgeschäft“, stieg ein weiterer Zuschauer schon in TOP 7 des Abends ein und wurde auf diesen vertröstet. Zum nächsten Bürgerinnenfrage nach dem Baufortschritt des Schopfes beim neuen Carport wollte nun auch Erhard Haas (SPD) ein Wörtchen mitreden, wurde aber vom Bürgermeister gut hörbar daran erinnert, dass noch Bürgerfragestunde sei. Ein weiterer Zuschauer beschwerte sich daraufhin über Laubs öffentliche Rüge für Haas. Bereits nach der Bürgerfragestunde stand zweifelsfrei fest, dass es ein ebenso langer wie lauter Abend werden würde.

Zur Beruhigung wurde TOP 2: Beschlüsse aus der nichtöffentlichen Sitzung vom 12. 04. 10 verlesen, wo es lediglich um zwei Grundstücksverkäufe und Spendenannahmen gegangen war.

Umkirchs Semper heißt Sutter

Der vorgezogene TOP 4: Sanierung der Turn- und Festhalle sorgte für unerwartet viel Gesprächsstoff. Zunächst erläuterte Bürgermeister Laub noch einmal knapp, dass die Gemeinde beschlossen habe, die Fördergelder aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) für die Sanierung der (Heiz-)technik des Schwimmbades sowie der Fenster und der Außenwärmedämmung der Turn- und Festhalle zu nutzen. Das ZIP von Bund und Land ist eine zweckgebundene Infrastrukturpauschale, die unter anderem die Kosten für energetische Sanierungen an Verwaltungsgebäuden und Einrichtungen (z.B. Rathäusern, öffentlichen Büchereien, Begegnungsstätten, Jugendhäusern, Festhallen, Sporthallen, sowie kommunalen Straßen (beschränkt auf Lärmschutzmaßnahmen) zu 75% trägt. Laub mahnte an, dass die Gelder bis zum Jahresende verbraucht sein müssten, da ein Fristverlängerung ungewiss sei. Gutshofbaumeister Willi Sutter, der nun das Mikrophon bekam, stellte den Anwesenden den Ist- Zustand der in die Jahre gekommenen Halle vor: Diese sei so gut wie nicht wärmegedämmt, lediglich am Dach sei einmal nachgebessert worden. So würde es wenig Sinn machen neue Fenster einzubauen, ohne zugleich auch eine Wärmedämmung an der Außenfassade vorzunehmen. Dies gestalte sich insofern aufwendiger, da die Fassadendämmung so angebracht werden müsse, dass sie bei einer späteren Dachsanierung weder beschädigt noch größeren Aufwand verursachen würde. Die Erneuerung der Fenster würde mit rund 135. 000 Euro, die außerplanmäßigen Wärmedämmungsmaßnahmen mit rund 179. 000 Euro zu Buche schlagen. Von letzterer Summe würde die Gemeinde allerdings 80% zu tragen haben, da diese Maßnahme lediglich durch das Landessanierungsprogramm (LSP), also mit 20%, gefördert würde, ergänzte Walter Laub. Angesichts so vieler scheinbar vollendeter Tatsachen, wollte Tom Hirzle (SPD) wissen, ob denn Willi Sutter bereits mit der Hallensanierung beauftragt worden sei, zumal er mit der Bestandsanalyse ja eine erhebliche Vorleistung erbracht habe. Die Beauftragung würde heute beschlossen, verneinte Sutter Hirzles Frage. Von Bürgermeister Laub und Bauamtsleiter Bernhard Weckel wollte Hirzle nun wissen, wie die Honorarberechnung Willi Sutters zustande gekommen sei. Er, selbst Architekt, habe einmal nachgerechnet und sei zu einem deutlich niedrigeren Ergebnis gekommen. Die Antwort des Bürgermeisters, dass Honorarstufe III Mitte schon unter dem sonst üblichen Honorar läge, konnte Hirzle ebenso wenig befriedigen, wie Sutters Aussage, dass die Baumaßnahme eben sehr komplex wäre. Er, so Hirzle, käme auf die niedrigere Honorarstufe II Mitte, eine besondere Komplexität der Baumaßnahme sei für ihn nicht ersichtlich, außerdem gäbe es hierfür ja bereits 20% Umbauzuschlag. Mit einem unzufriedenen Tom Hirzle und einem verschnupften Willi Sutter wendete man sich baulichen Fragen zu, die sich im Wesentlichen mit der Auswahl der Fenster (Außenbeschattung pro und contra) beschäftigten. Klaus Leible (CDU) forderte schließlich, man solle mit dem Thema wie mit der Hallensanierung erstmal zum Abschluss kommen und weitere Feinheiten auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Nach dem Tom Hirzle sich noch gegen den Vorwurf der Unterstellung (Ilias Moussourakos, UBU) und Albernheit (Jörg Kandzia, CDU) zur Wehr setzten musste, wogegen Bürgermeister Laub sich gegen die Andeutung wehrte, dass die Beschlussvorlagen ungenau seien (Tom Hirzle, SPD), konnte endlich abgestimmt werden. Die Sanierung wurde mit der Enthaltung von Tom Hirzle, die Beauftragung von Wille Sutter mit der Enthaltung von Tom Hirzle und Erhard Haas, der Vertragsabschluss zwischen Sutter und Gemeinde mit der Gegenstimme von Tom Hirzle und die überplanmäßigen Ausgaben für die Wärmedämmung einstimmig angenommen.

Alles mit Sutter ? Tom Hirzle wird sicher nicht als Meister der glücklichen Formulierungen in die Geschichte des Umkircher Gemeinderates eingehen. Dennoch darf natürlich die Frage erlaubt sein, warum ein erwiesener und erwiesenermaßen verdienter Experte für die Sanierung historischer Gebäude, Willi Sutter eben, quasi automatisch auch mit der Sanierung der Turn- und Festhalle beauftragt wurde. Die Halle ist alt, aber eben keineswegs historisch! Doch hatten viele große Herrscher ihre Lieblings-Baumeister, Ludwig XIV. hatte Vauban, König Johann von Sachsen hatte Semper und Walter Laub hat eben Willi Sutter, um vielleicht einmal mit den Sutter-Bauten in die Geschichte Umkirchs einzugehen. Nachdem Sutter nun aber schon da war, nutzte man dessen Anwesenheit, um zum wiederholten Male auf die Saalakustik einzugehen, was aber keine wirklich neuen Erkenntnisse brachte. Für Musikveranstaltungen sei der Saal ideal, für Sprechveranstaltungen eher ungeeignet. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ (Jörg Kandzia, CDU) ist eben auch in Sachen Saalbau noch nicht erfunden.

Verstrickte Ausschreibung und Muster ohne Wert

Da Architekt Volker Rosenstiel verhindert war, hatte er einen Vertreter geschickt, der die Ausschreibung der Straßen- und Landschaftsbau- sowie Kanalarbeiten in Sachen TOP 3: Neugestaltung der Ortsmitte vorstellte. Von 10 angeschriebenen Firmen hatten sechs ein Angebot abgegeben. Die Firma FAUTZ hatte mit ihrem Kostenvoranschlag von rund 640. 000 Euro das günstigste Angebot präsentiert. Die Planung für Landschafts- und Straßenbauarbeiten würde das Architekturbüro Rosenstiel, die für die Kanalarbeiten das Ingenieurbüro Stangwald übernehmen. Die gekoppelte Ausschreibung aller Baumaßnahmen erklärte der Jungarchitekt mit Erleichterungen bei eventuellen Gewährleistungsansprüchen, besserer Terminkalkulation sowie einer einheitlicheren Optik der Gesamtmaßnahme. Diese Aussagen vermochten Klaus Leible (CDU) wenig zu überzeugen. Er hielt die gekoppelte Ausschreibung für „unglücklich“ und stellte fest, dass die Koordination der Maßnahmen Sache des Planers sei, der dafür ja schließlich auch bezahlt werde. Zudem wollte er scharfsinnig wissen, ob denn die Firma FAUTZ sämtliche Arbeiten selbst mache oder ihrerseits weiter vergäbe. Auch Jörg Kandzia (CDU) vermochte sich den Argumenten des Rosenstiel- Mitarbeiters nicht anzuschließen: Im Baugewerbe seien ARGEs die Regel und von einem guten Bauleiter leicht in den Griff zu bekommen. Das Argument der Koordination sei ausgehebelt, da nun ohnehin unterschiedliche Firmen beteiligt wären und das Problem der Gewährleistung nichtig, da ein guter Bauleiter wisse, welche Firma für welche Maßnahme zuständig, also im Zweifel haftbar wäre. Dieser geballten Ladung von Sachargumenten wusste der Mann vom Architekturbüro nur noch den beliebten Klassiker „Das wurde noch nie beanstandet außer in Umkirch“ entgegen zu setzen. Dann müsse man die Ausschreibung eben rückgängig machen. Dass dies aber de facto unmöglich ist, da die Landeszuschüsse bis 2013 abgerechnet sein müssen, mussten auch die Kritiker schlucken. Noch einmal wollte man sich allerdings ganz offensichtlich nicht vor vollendete Tatsachen stellen lassen. Obwohl Bürgermeister Laub anmerkte, dass die Firma FAUTZ den Umkirchern ihre Porphyr- Steine sogar abkaufen würde, war keiner der Gemeinderätinnen und -Räte bereit, die bereitliegenden Mustergranitsteine auch nur eines Blickes zu würdigen. Jörg Kandzia (CDU) betonte, dass der Porphyr- Erhalt eine seit langem beschlossene Sache, sein Graniteingangsbereich im Winter rutschig und der Marienbrunnen auch ohne Granit Garant für Symmetrie auf dem Gutshofplatz sei.Einstimmig wurde die Beauftragung der Firma FAUTZ mit den Bauarbeiten beschlossen und ebenso einstimmig die Granitpflasterung für den Gutshof abgelehnt.

TOP 5: Änderung des Bebauungsplanes „Gottenheimer Straße“ ging erfrischend schnell von statten. Statt eines einzelnen Gebäudes sollten nun zwei Häuser auf einem Grundstück an der Gottenheimer Straße errichtet werden, erläuterte Bernhard Weckel. Bürgermeister Laub ergänzte, dass eine solche Maßnahme im Sinne der sinnvollen Nutzung innerörtlicher Flächen nur zu begrüßen sei. Dem Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes wurde denn auch einstimmig stattgegeben. Ebenso einstimmig verlief die Ablehnung eines Antrages auf Errichtung einer Werbegroßfläche: TOP 6 am Gansacker. Keiner der Stimmberechtigten konnte sich für die Riesenwerbetafel noch dazu im unmittelbaren Grenzbereich eines gemeindeeigenen Grundstückes erwärmen.

Schwer zu schlucken

 „Wer bürgt kann auch schenken“, sagt der Volksmund und bei TOP 7: Übernahme einer Bürgschaft für die Gemeindewerke Umkirch GmbH (GWU) hätte sich vermutlich so mancher der Anwesenden gewünscht, das Volk oder in diesem Falle einige seiner Vertreter, hätten den ihrigen gehalten. Zunächst führte Bürgermeister und GWU- Aufsichtsratsvorsitzender Walter Laub noch einmal in die Thematik ein, die ja bereits in der Sitzung vom 08. 02. 2010 auf der Tagesordnung gestanden hatte (Regionalia- Umkircher Nachrichten vom 09. 02. 2010, Artikel- Nr. 1988). Damals war von Seiten des Gemeinderates die Bewilligung einer Bürgschaft für die Gemeindewerke an die Zusage des GWU- Teilhabers „badenova“ geknüpft worden, entsprechend ihres 40%igen Anteils auch das Risiko zu 40% mit zu tragen. Diesem Anliegen, so Laub, habe die „badenova“ eine klare Absage erteilt. Die Vorteile einer Bürgschaft lägen, wiederholte Laub, in einer deutlich geringeren Zinslast und der vereinbarten Avalprovision für die Gemeindekasse von jährlich 0, 25%. Auch Klaus Leible (CDU), ebenfalls im Aufsichtsrat der GWU, hielt eine Bürgschaft für ebenso vertretbar wie sinnvoll, zumal die Gemeinde im Falle einer wirtschaftlichen Schieflage des Energieversorgers ohnehin in der Pflicht stünde. Es handele sich also weniger um eine wirtschaftliche als um eine politische Entscheidung, so Leible. Ilias Moussourakos (UBU) kündigte an, nun den „Part der Gegenrede“ übernehmen zu wollen, was ihm auch recht flott gelang. Zum ersten, so Moussourakos, der betonte, von Anfang an Unterstützer der Gemeindewerke gewesen zu sein, könne es nicht sein, dass die „badenova“ nicht bereit sei, Risiken mit zu tragen aber in gleichem Maße wie die Gemeinde von den Ersparnissen profitiere, zum zweiten wäre eine Risikoverzinsung von 0, 25% im Vergleich zum Risiko einer Bürgschaft zu gering und zum dritten sei eine Haftung der Gemeinde für die GWU unnötig, da diese wirtschaftlich stark genug sei einen Kredit zu beantragen. Eine Umlage der höheren Zinsen auf die Strom- und Gaspreise, ergänzte Tom Hirzle (SPD), sei zudem so geringfügig spürbar, dass sie ohne weiteres möglich sei. Und Jörg Kandzia (CDU) betonte die Kaufmannsregel „Risiken dort zu lassen, wo sie hingehören“. Niemand geht freiwillig eine Bürgschaft ein, so Kandzia weiter. Dass die folgende Abstimmung offen sein würde, war nach dieser ebenso harten wie erfrischend fachlichen und sachlichen Diskussion abzusehen. Wie eng es jedoch werden letztlich werden sollte, ließ selbst den Bürgermeister heftig schlucken: Mit zwei Enthaltungen, sechs Pro- und sieben Contra- Stimmen wurde die Gemeindebürgschaft für die GWU denkbar knapp abgelehnt. Dass Gemeindepolitik in erster Linie Sach- und erst in zweiter Linie Parteipolitik sein sollte, wurde an diesem Abend, wie auch immer man zu dem Ergebnis der Abstimmung stehen mag, eindrucksvoll demonstriert, denn zwei der Gegenstimmen kamen aus der sonst geschlossen mit Pro stimmenden CDU- Fraktion.

Reine Formsache war die einstimmige Annahme des Haushaltsplanes der Krabbelgruppe „Wichtelbande e. V.“, der für seine Transparenz gelobt wurde. Unter TOP 9: Verschiedenes ging der Bürgermeister nochmals auf die Einführung der neuen, gesplitteten Abwassergebühr und des damit verbundenen Aufwands ein.

Gegen 23:00 Uhr endete ein langer Ratsabend, der aber bewiesen hatte, dass neben Ausdauer und Sitzfleisch auch Sachverstand und demokratisches Selbstbewusstsein das Salz in der Suppe der Gemeindepolitik sind.

Autor:  Julius W. Steckmeister (Umkircher Nachrichten, Artikel-Nr. 2218 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 28.04.2010 13:11.

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Mineralwasser und Mikrophone: von Beidem wurde Gebrauch gemacht! (Bild: J. W. Steckmeister)  
   
 

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