Es ist bestürzend, wenn man sehen muss, dass das Hässliche oft die Oberhand behält und manche Herren keinen guten Geschmack haben. Viele Industrieansiedlungen der vergangenen Jahre, in Umkirch und anderenorts, sind weder schön noch besonders attraktiv und lukrativ. Sie müssen einmal kritisch hinterfragt werden. Wenn in Umkirch ein Preis für den größten und wohl auch hässlichsten jungen Industriebau verliehen würde, müsste ihn die Logistik-Gruppe Barth erhalten. Die Groß-Spedition hat am Ortsausgang von Umkirch, im neuen Gewerbegebiet Stöckacker, eine gewaltige Industrie-Halle errichtet. Das Hoch-Regal-Lager der Logistik-Firma ist ein hässlicher Riesen-Klotz in schöner Landschaft. Seine geometrischen Daten: Länge 102 Meter, Breite 42 Meter, Höhe 14 Meter. Das Bollwerk verdeckt den bisherigen Blick auf den Wald und den nahen Kaiserstuhl. Mit diesem Hoch-Regal-Lager wurde massiv in das bisherige (geschützte) Landschaftsbild eingegriffen. Die Bewahrung des Landschaftsbildes ist in einer so schönen Traum-Landschaft, zwischen den Gipfeln des Hochschwarzwaldes und dem Kaiserstuhl, eine wichtige Aufgabe. Wenn man eines Tages im verbauten Umkirch nicht mehr sieht, was man tausend Jahre sah, den schönen Kaiserstuhl und die majestätischen Gipfel des Hochschwarzwaldes, ist das alte Landschaftsbild als Kulturgut verloren und Umkirch darf, statt auf die Naturschönheiten, auf Beton schauen. Man sollte das Wahre, Gute, Schöne, was man hat, beschützen.
Wie kam es zu diesem Barth-Bau – Warum keine bessere Qualitätsauswahl?
Im Jahre 1999 wollte der damalige SPD-Bürgermeister Ulrich Greschkowitz den Stöckacker zum Industriegebiet umwandeln. Und darüber freuten sich natürlich die Grundstücksbesitzer. Denn ihnen standen für ihre Äckerchen gewaltige Wertsteigerungen und saftige Spekulations-Gewinne ins Haus. Doch Greschkowitz’s Rechnung mit dem Industriegebiet ging nicht auf. Die Gemeinde, bzw. die von ihr eingeschaltete Verwertungsgesellschaft, blieb auf den Grundstücken sitzen. Weil Greschkowitz den Grundstücksspekulanten die Kaufpreise vor dem Verkauf an die Gewerbebetriebe bezahlen ließ, tickte die Zins-Uhr. Sie riss die Gemeinde Umkirch in ein Millionengrab. (Wir berichteten darüber unter dem Titel: „Schwarzer Zylinder mit rotem Schulden-Deckel: Gemeindegeschäft mit Millionenverlust à la Greschkowitz?“) Greschkowitz-Nachfolger Walter Laub und sein neuer Gemeinderat mussten die täglich wachsenden Verluste eingrenzen und die Grundstücke so schnell wie möglich loswerden. In ihrer Not konnten sie keine qualifizierte und passgenaue Betriebsauswahl vornehmen. Masse (an Grundstücksbedarf) ging vor Klasse bei der Betriebsauswahl. Statt Betriebe klug und weitsichtig nach Struktur, Arbeitsplätzen und Gewerbesteueraufkommen auszuwählen, mussten sie nach der Methode „friss oder stirb“ vorgehen und (fast) jeden nehmen, der bereit war, Geld für die Industriefläche auf den Tisch zu legen, um die tödliche Zins-Spirale zu stoppen. Die Teil-Lösung des Problems hieß unter anderem: Barth. Mit fünf Firmen und insgesamt 490 Mitarbeiter gehört das Unternehmen, mit Sitz im schwäbischen Burladingen, zu den großen deutschen Speditionen.
Schlechte Erfahrungen mit Transportunternehmen
Transportunternehmen sind bei Gewerbe-Neuansiedlungen nicht gerade das „gelbe vom Ei“. Clevere Ansiedlungs-Strategen machen um solche Firmen gerne einen weiteren Bogen. Denn meistens errichten sie keine Hauptsitze, sondern nur Zweigniederlassungen, in denen sie nur wenige Mitarbeiter beschäftigen und minimal Gewerbesteuer zahlen. Darüber hinaus verursachen sie unangenehmen Schwerlastverkehr. Und das ist für die Einwohner einer Gemeinde keine pure Freude. Das gebeutelte Umkirch hat schließlich auch Erfahrung mit solchen Firmen. Und besondern mit Verkehrslärm. Der Paketversender UPS ist nur ein Beispiel. Und auch die Autobahnpolizei brachte den Bürgern weder Straf-Rabatte, noch Sonderschutz, noch Gewerbesteuer, sondern hauptsächlich: viel Verkehr und Sirenen-Geheul.
Menschen in die Höhe stapeln –
Betriebe in flachen Containern in die breite Fläche
Der Flächenverbrauch und die Grundstücksversiegelung sind bei den Gewerbeansiedlungen riesig, seit Gewerbebetriebe es wegen den Bau- und Organisationskosten vorziehen, in die Breite, statt in Höhe zu gehen. Hochbauten, mit mehreren Etagen, Treppen und Aufzügen, die mit kleineren Grundstücken auskommen, kosten Geld. Flachbauten, die wie Schuhkartons aussehen und aus Wellblech, Platten oder Fertigteilen bestehen, sind zwar nicht schön, aber billig. Diese Fläche fressenden aber ebenerdigen Container-Bauten sind für die Logistik ideal und sparen Logistik-Zeit. Alles ist befahrbar. Keiner muss in den zweiten oder dritten Stock fahren. Während man die ganze Menschheit gar nicht alle in ebenerdigen Häusern unterbringen könnte, und sie in Hochhäusern „stapeln“ muss, verbrauchen die heutigen Industriegebiete riesige Flächen. Sie werden versiegelt und der Naturraum wird immer kleiner. Die Landwirte bauen immer mehr Monokulturen an (z.B. Mais) und erhalten für diese Massen-Produktionen hohe EU-Zuschüsse. Und wenige dumme Lasten-Träger sollen (kostenlos) die Natur und die Landschaft pflegen und mit Vogelschutzgebieten der Allgemeinheit dienen, während die anderen fette Preise und Mieten für ihre Industriegrundstücke kassieren. Die Zeche für die Natur sollen jene mit den unrentablen Natur-Grundstücken zahlen. Barth richtet in seinem
Verschiebe-Bahnhof Barth-Umkirch:
Die „süßen Rosinen“ bleiben in Freiburg, die „bitteren Pillen“ erhält Umkirch
mächtigen „Schachtel-Bau“ ein Logistik-Zentrum ein. Im Klartext ist das ein Hoch-Regal-Lager. Pfizer lässt die rentablen Rosinen (Firmensitz, Produktion, Verwaltung) in Freiburg. Doch der Pharma-Konzern lagert seine Produktion nicht mehr selbst, sondern „lässt“ lagern und verteilen. Eben durch die Spedition Barth. Die Pfizer-Produktion wird von Freiburg und anderswo nach Umkirch gekarrt, dort kommissioniert und mit Lastwagen wieder hinaus in die Welt gefahren. Also ein Lager- und Tranport-Geschäft, umschrieben mit dem schöneren Zauber-Wort „Logistik“. Logisch, dass Pfizer den Spediteur Barth daran nur einen Bruchteil „verdienen“ lässt und den großen Pillen-Reibeich in seinem eigenen Unternehmen in Freiburg belässt. Für Freiburg die süßen Rosinen, für Umkirch die bitteren Pillen: Verkehr und LKW-Lärm. Für Umkirch eben (wie bei UPS und Autobahnpolizei) keine „Gewinn-Klasse“ sondern „Last-Klasse“.
Barth ist jetzt da – aber wie sieht Barth aus?
Herr Barth, lassen Sie Ihrer hässlichen Lager-Halle einen grünen „Bart“ wachsen. In einem schönen Haus wohnt eine schöne Seele. Und in einer schönen Fabrik arbeitet man gern. Vom Schönen lebt das Gute im Menschen: Ein schönes Landschaftsbild ist Nahrung für das Auge. Und was dieses wunderbare Sinnes-Organ wahrnimmt, fließt zur Seele. Es erzeugt Aggressionen oder es schöpft Freude und innere Harmonie. Zu Beginn des Industrie-Zeitalters mussten Industriebauten auch formale Schönheit aufweisen. Als 1919 in Weimar von Walter Gropius in der, 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar, die Bauhaus-Architektur begründet wurde, war es deren Ziel, die Kunst von der Industrialisierung zu emanzipieren und das Kunsthandwerk wieder zu beleben. Es wurden Fabriken und Hallen im Bauhaus-Stil gebaut. Es gab stolze Arbeiter und Angestellte, die in ansehnlichen Gebäuden arbeiteten. Mancher Industriebau von heute dagegen zeugt von den kargen Seelen ihrer Erbauer und Architekten. Der Werbe-Slogan der Firma Barth lautet: „Der Mensch macht’s aus“. Deswegen sollte der Barth-Konzern Umkirch nicht in das „optische“ Unglück stürzen und keinen schlechten, sondern guten Geschmack zeigen. Um die Hässlichkeit durch Schönheit zu ersetzen muss sich der Mensch anstrengen. Deswegen, Herr Barth: Lassen Sie die „Barth-Schachtel“ verhüllen, lassen Sie ihr einen grünen Bart wachsen. Verhüllung ist Verheißung: Christo realisierte zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude Verhüllungs-Aktionen an Gebäuden und Großprojekte in Landschaftsräumen, wovon vor allem die Verhüllung des Berliner Reichstags im Jahre 1995 populär wurde. Dreiundzwanzig Jahre mussten der bulgarische Künstler warten, bis ihm der Deutsche Bundestag die Verhüllung des Deutschen Reichstages in Berlin erlaubte. Der Reichstag wurde mit 100.000 Quadratmetern Kunststoffgewebe verhüllt. Für Millionen Menschen ein unvergessliches Kunst-Werk. Doch der Reichtag ist wunderschön, besonders ohne Verhüllung. Doch so lange wie mit dem Reichstag sollte man bei der Verhüllung der hässlichen „Barth-Schachtel“ nicht warten. Deswegen ist der Firma Barth bei der Baugenehmigung aufgegeben worden, vor das Gebäude Bäume zu pflanzen und es mit Ranken bewachsen zu lassen. Und das sollte man nicht „vergessen“. Herr Barth hat doch wohl nicht nur einen guten Werbe-Slogan sondern auch ein Herz für Umkirch und einen guten Geschmack. Autor: Werner Semmler