Nach über 30 Jahren politischer Aktivität und rund 10 Monaten im Umkircher Gemeinderat hat Henning Wellbrock (SPD) in der Gemeinderatssitzung am Montag, den 12. 04. 2010, einen Antrag auf Ausscheiden aus der Ratsrunde gestellt. Dem Antrag des langjährigen Freiburger Stadtrates wurde mit einer Gegenstimme stattgegeben. Seinen Sitz im Gemeinderat nimmt „Nachrücker“ Christian Bölter ein.
Einen Antrag zur Tagesordnung, so Bürgermeister Laub, habe es von Seiten der „Rest- SPD- Fraktion“ Tom Hirzle und Erhard Haas gegeben. Dieser wurde jedoch nicht gehört, da er keine ausreichende Mehrheit bei den übrigen Ratsmitgliedern gefunden hatte.
Unter TOP 1: Bürgerfragestunde interessierte sich ein Bürger für die Änderungen des Flächennutzungsplanes des Gemeindeverwaltungsverbandes (GVV) March- Umkirch. Ein Landwirt beschwerte sich über den schlechten Zustand des Weges Richtung Hugstetten am Pumpenhäuschen, der für ihn mit schweren Landmaschinen kaum noch befahrbar sei. Auf den Flächennutzungsplan würde in TOP 5 und 6 noch eingegangen, für die Instandhaltung des löchrigen Weges sei die Gemeinde nicht zuständig, da es sich um fürstliches Eigentum handele, erklärte Walter Laub.
Auch das leidige Thema „Wahlflugblatt“ kam noch mal zur Sprache. Der Flugblatt- Herausgeber, ein Umkircher Privatmann, verteidigte seine Aktion damit, dass die namentlichen „Wahlvorschläge“ deutlich mit zum Beispiel gekennzeichnet gewesen wären. Der frisch gebackene 1. Vorsitzende des SPD- Ortsvereins Michael Wirth betonte, dass es sich bei dem Flugblatt um eine „reine Privatinitiative“ gehandelt habe, mit der weder Tom Hirzle noch Erhard Haas etwas zu tun hatten. Claudia Weibel- Kaltwasser (UBU), auch ihr Name war als „Wahlvorschlag“ auf dem Flugblatt gedruckt gewesen, verwehrte sich ausdrücklich gegen diese „Benutzung“ ihrer Person.
Zu TOP 2: Beschlüsse aus der nichtöffentlichen Sitzung vom 08. 02. 2010 gab es lediglich die Eingruppierung neuer Mitarbeiter in das Bauamt zu berichten.
Der Lotse geht von Bord
Schon mit TOP 3: Neubesetzung des Gemeinderates erreichte der Abend seinen zeitlichen, thematischen, dramatischen und kulturellen Höhepunkt. In einem Schreiben vom 15. März 2010, einen Tag nach der Wiederwahl von Walter Laub, hatte Henning Wellbrock mitgeteilt, dass er sein Amt krankheits- wie altersbedingt niederlegen möchte. Bürgermeister Walter Laub erläuterte nun, dass gemäß § 16 Absatz 1 der Gemeindeordnung dem Antrag des Gemeinderates Henning Wellbrock auf Ausscheiden aus dem Gemeinderat zugestimmt worden sei.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Antrag, andauernde Krankheit oder das Erreichen des 62. Lebensjahres, seien beim Antragsteller gegeben, so dass es keiner weiteren Prüfung des Antrages bedurft hatte, erklärte Laub weiter.
Wellbrocks langer Abschied aus der Politik hatte sich in den vorigen Monaten bereits abgezeichnet: Der SPD- Politiker hatte zunächst sein Amt als Fraktionsvorsitzender und bald darauf auch das als 1. Vorsitzender des SPD- Ortsvereins niedergelegt.
In seiner Abschiedsrede betonte der Oberstudienrat im Ruhestand, dass der Grund für seinen Rücktritt keinesfalls im Streit unter den Genossen sondern in „Irritationen außerpolitischer Art“ zu suchen sei, die „der Gesundheit nicht förderlich“ wären. Jedoch betonte der scheidende Gemeinderat auch die erstaunliche „Fähigkeit zur Selbstzerstörung“ der Umkircher SPD in der sich seit der Gemeinderatswahl im Juni 2009 „unglaubliche Happenings“ ereignet hätten. Ein Happening der besonderen Art hatte Wellbrock im Vorfeld schon in Sachen Sitzordnung installieren lassen: Zwischen ihm und seinen Noch- Fraktions- Kollegen Haas und Hirzle klaffte eine meterbreite Tischlücke.
Zur besseren Verständlichkeit mit einem Mikrophon ausgestattet (Saalakustik Bürgersaal!) trug Wellbrock schließlich im Stile eines Bänkelsängers eine „gar grauslich und ergötzlich Geschichte aus Stadt und Land“ vor, die im Jahre 1683 in einer beschaulichen Gemeinde namens „Kirchum“ spielt. Dass es sich hierbei jedoch nicht um eine „alte Chronik“ sondern um die Zusammenfassung der „unglaublichen Happenings“ in der Umkircher SPD handelte, wurde den Zuhörern/Innen bald klar, zumal es nicht weiter schwer war, in den Protagonisten der „grauslich Geschicht“ Umkircher Lokalpolitiker wieder zu finden. Allen voran den Vortragenden selbst, als „Herrn aus der Stadt“, aber auch einen rot und röter werdenden und schließlich platzenden „vordem- Schultheiß“(Ex- Bürgermeister Ulrich Greschkowitz?!), einen Mann mit einem „flimmernden Kasten“ (PC), der „viele Rumors hatte verbreitet“ und Wohnmobil („gerädert Kasten“) fährt (SPD- Umkirch Pressesprecher und Webmaster Horst Buchali?!) und viele bekannte (SPD-)Gesichter mehr. Nach der offiziellen Entbindung Wellbrocks von seinem Amt per Abstimmung, würdigte Bürgermeister Laub die Verdienste des umtriebigen Lehrers und Bundesverdienstkreuzträgers in einer kurzen Laudatio, die mit dem Wunsch endete, Wellbrock möge die Gemeinde weiterhin kulturell begleiten. Kulturell gesehen konterte der nun Ex- Gemeinderat dem Geschenk des Bürgermeisters mit einer Leihgabe für das Rathaus: einem großformatigen wie symbolträchtigen Gemälde mit Motiven aus der jüdischen Mythologie. Und um das Kulturfass voll zu machen, hatte Jörg Kandzia (CDU) noch ein erfrischend kurzes Abschiedsgedicht auf den Scheidenden verfasst. Nach dem Ende des „Poetry Slam im Gutshof“ wünschte auch Tom Hirzle, stellvertretend für die SPD- Fraktion oder UHH (Umkircher- Homepage- Helden; Wellbrock) und bedauerlicherweise nicht in Reim- oder Märchenform, dem Verabschiedeten alles Gute.
„Der Lotse geht von Bord“, titelte DER SPIEGEL 1982 anlässlich des Endes der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt in Anlehnung an die berühmte Karikatur zum Bismarck- Rücktritt im März 1890. Auch der Lotse der Umkircher- SPD, Henning Wellbrock, ist von Bord gegangen, hat ganz hanseatisch mit einem „moin moin“ den Bürgersaal verlassen. Man muss jedoch kein alter Seebär sein, um zu wissen, dass einem Schiff nach Absetzen des Lotsen ein Kapitän zur Führung bleibt. Wer diese Rolle bei der auf Schlingerkurs geratenen Umkircher- SPD übernehmen wird, übernehmen sollte, steht in den zur Navigation recht nützlichen Sternen.
Reine Formsache war der Eintritt des 43jährigen Servicetechnikers Christian Bölter in den Gemeinderat. Dieser sowie seine Mitgliedschaft im Verwaltungs- und Technischen Ausschuss wurden einstimmig angenommen. Als eine der vier Urkundspersonen wurde Erhard Haas mit zwei Gegenstimmen Nachfolger von Henning Wellbrock.
Völlig undramatisch verlief TOP 4: Ansiedlung der Firma Merkur Frucht GmbH. Für die erstmalige Herstellung des Wasser- und Abwasseranschlusses der nahezu fertig gestellten Firmengebäude im Gewerbegebiet „Stöckmatten“ fallen, so Bürgermeister Laub, einmalig Wasser- und Abwasserbeiträge an. Diese könnten in Form eines Abwassergebührenbescheides oder in Form einer Ablösevereinbarung erhoben werden. Zu beschließen sei am heutigen Abend die Ablösevereinbarung. Die Vorteile dieser Vorgehensweise, erklärte der Jurist Laub weiter, lägen zum einen in der Rechtssicherheit (gegen Beitragsbescheide könne man Widerspruch einlegen) zum anderen in rascheren Eingang des Geldes beim Eigenbetrieb Wasserversorgung. Erhard Haas (SPD) bemängelte unter anderem, dass dem Gemeinderat keine Baupläne des Merkur- Frucht- Gebäudes vorlägen. Er könne sich „das Gebäude nicht vorstellen“ und wünsche sich eine Kontrolle der Baumaßnahmen seitens der Gemeinde. Sofern keine Änderung des Bebauungsplanes vorläge, wäre die Bauüberwachung Sache des Landratsamtes, versuchte Jörg Kandzia (CDU) zu vermitteln. Mit den Enthaltungen von Erhard Haas und Neugemeinderat Christian Bölter wurde die Ablösevereinbarung angenommen.
Vom Umweltschmutz zum Umweltschutz
Einstimmig hingegen verliefen die TOPs 5 und 6: „Solarpark March- Neuershausen“. Eine Änderung des Flächennutzungsplanes auf dem ehemaligen Firmengrundstück der Firma Eternit Schwenk sei aufgrund der Asbestbelastung des Geländes unumgänglich, da dieses weder als Bau- noch als landwirtschaftliche Fläche genutzt werden könne. In Zusammenarbeit mit der Firma EnBW Erneuerbare Energien GmbH ist für das kontaminierte Grundstück ein Solarpark vorgesehen.
Eine Änderung des Bebauungsplanes, so Bernhard Weckel, ergebe sich aus der Bebauung mit Sonnenkollektoren. Erhard Haas (SPD) lobte das Projekt als „gute Sache“, mahnte aber an, dass während der Baumassnahmen auf den Umweltschutz geachtet werden müsse. Die „gute Sache“ wurde von allen Gemeinderäten/Innen angenommen.
Reine Formsache waren TOP 7: Kenntnisnahme der Bauausgaben durch den Gemeindeprüfungsausschuss sowie TOP 8 die einstimmige Annahme von Spenden.
Der Flügel ist da!
Mit TOP 9: Verschiedenes läutete Bürgermeister Laub das Ende des öffentlichen Teils der Gemeinderatssitzung ein. Hier berichtete er zunächst von der Änderung der Abwassergebührenberechnung, die sich zukünftig aus Frischwasserverbrauch (=Abwasser) und Niederschlagsgebühr für versiegelte Flächen zusammensetzen werde. Besonders die Ermittlung versiegelter Flächen, so Laub, werde sich hier als schwierig und kostenaufwändig darstellen. Eine Petition eines Bürgers an den Petitionsausschuss des Landtages in Sachen Gutshof - näher wollte sich der Bürgermeister auf die Angelegenheit nicht einlassen -würde sich in rund zwei Monaten entscheiden und der Gemeinde voraussichtlich Kosten von rund 3000 Euro bescheren. Jemand habe dort ein „großes Rad angeworfen“ fabulierte Laub dunkel.
Der Haushalt 2010, ging es ganz licht weiter, sei seit dem 12. 03. 2010 als rechtmäßig abgesegnet. Von Seiten der Telekom würden zwei der fünf Umkircher Telefonzellen wegen Unrentabilität abgebaut werden. Wie der Haushalt sei auch die Bürgermeisterwahl bestandskräftig, so der Bescheid des Landratsamtes. In Sachen Spielplatz „Herrenwäldele“ wollte Jörg Kandzia (CDU) wissen, was aus dem Bürgerbegehren wegen einer falsch platzierten Wippe geworden sei. Bürgermeister Laub kündigte eine Ortsbegehung mit dem zuständigen Bauamtsmitarbeiter an. Dr. Gerd Babucke (CDU) startete im Namen der Gemeindebücherei einen Spendenaufruf für Zeitschriftenabos. Und neben der Reparatur von Setzungsrissen in der Schlossmühle wurde eine Überprüfung der altersschwachen Brücken über den Mühlbach in Aussicht gestellt. Zum Thema Kultur gab es zum guten Schluss noch Positives zu berichten: durch Vermittlung von Professor Müller- Lancé war es tatsächlich zur Anschaffung eines Konzertflügels für den Bürgersaal zum Schnäppchenpreis von 14. 500 Euro gekommen. Demnächst können sich die Umkircher also einmal mehr von den positiven Aspekten der Akustik im Bürgersaal überzeugen.
Autor: Julius W. Steckmeister
Autor: Julius W. Steckmeister (Umkircher Nachrichten, Artikel-Nr. 2183 ISSN 2698-6949)