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Breisach
Freitag, 15. November 2024
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„An die große Glocke hängen“ - Münster St. Stephan´ s Nikolauswunsch

Noch herrscht Leere unter der Mütze: Münster St. Stephan wünscht sich Glocken! (Bild: JWS/ REGIONALIA)

Vielleicht hat es mancher in Breisach schon läuten hören: Der Pfarrgemeinderat der katholischen Kirchengemeinde St. Stephan hat in seiner Sitzung am 23. November 2010 beschlossen, im Rahmen der Sanierungsarbeiten am Südturm des Breisacher Münsters alles für den Einbau eines Glockenstuhls vorzubereiten. Der Zeitpunkt für die Baumaßnahmen ist augenblicklich besonders günstig, da der Südturm aufgrund von Materialtests während der Frostperiode noch eingerüstet ist. Bereits erfolgte statische Prüfungen haben ergeben, dass der Turm sowohl einen Glockenstuhl als auch ein darin schwingendes Geläut beherbergen könnte. Eben dieses wünscht sich nun die Pfarrei. Aber natürlich kosten Glocken Geld… REGIONALA- Breisacher Nachrichten lassen den Hauptbetroffenen zu Wort kommen: Das Breisacher St. Stephans Münster. 

„Guten Tag, liebe Breisacher/Innen, liebe Leute aus dem Umland, liebe Besucher und Besucherinnen aus Nah und Fern. Ich bin´ s, St. Stephan. Ja, ich bin´ s wirklich! O. k., normalerweise sagt ein Kirchengebäude gar nichts. Und wenn schon, dann zur Begrüßung eher „Grüß Gott!“. Aber aus gegebenem Anlass und frei nach dem Motto „Glaube hat auch eine Stimme“, möchte ich mich heute am Nikolaustag mal zu Wort und ganz bewusst an Alle wenden. Alle, auch die Menschen, die nicht katholischen Glaubens sind. Alle, die mich schon mal gesehen, betreten und vielleicht auch schweigend und staunend bewundert haben. Ich bin nämlich neben meinem ursprünglichen Hauptberuf als Gotteshaus inzwischen auch ein Wahrzeichen, ein Architekturdenkmal, ein Kunstwerk und für viele Menschen, auch anders- oder gar- nicht- gläubige, ein Stück Heimat geworden. Na, kein Wunder, denn schließlich habe ich ja auch schon etliche Hundert Jahre auf dem Buckel, Verzeihung, Dachgewölbe. Und, mit Verlaub, ich bin ja auch wirklich ein schmuckes Bauwerk in 1A- Lage. Wer, aus welcher Richtung auch immer, nach Breisach kommt, der sieht mich. Und wer in Breisach lebt oder zu Besuch ist, der kann mich auch, artig durch Schallläden gedämpft, läuten hören. Das ist nämlich meine eigentliche Art der Kommunikation.

Ich glaube, dass die meisten Menschen, die jemals in Breisach waren, sich noch an mich erinnern, auch wenn sie längst wieder fort sind.
Wie es bei den wahren Schätzen so ist, habe ich natürlich auch innere Werte. Zum Beispiel beherberge ich den kostbaren Silberschrein mit den Reliquien der Stadtpatrone Gervasius und Protasius. Aber auch Kunstliebhaber kommen in meinem „Bauch“ auf ihre Kosten: Kein geringerer als Martin Schongauer hat sein berühmtes Triptychon „Das Weltgericht“ an meinen Wänden verewigt.
Aber natürlich ist auch an mir die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Umwelteinflüsse und Kriege, nicht zuletzt die verheerende Zerstörung am Ende des zweiten Weltkrieges, haben mir ordentlich zugesetzt. Wer einmal Fotos von mir gesehen hat, die nach dem Bombenangriff auf Breisach entstanden sind oder sich daran vielleicht noch selbst erinnert, der mag kaum glauben, wie stolz und schmuck ich jetzt wieder aussehe. Dafür wurde an mir aber auch mehr gewerkelt, als an so manchem Hollywoodstar. Schon seit Kriegsende werde ich wieder hergerichtet. Die letzte Rundumsanierung hat vor 20 Jahren begonnen und geht, kaum zu glauben aber wahr, nun zu Ende. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie gut ich mich fühle und wie stolz ich auf mein neues altes Aussehen bin! Besonders stolz bin ich aber auf die vielen Menschen, die mir geholfen haben. Denn so eine Sanierung ist eine Riesenaufgabe, die ohne den unermüdlichen Einsatz vieler Einzelner gar nicht zu schaffen ist. Viele meiner Kirchenkollegen/Innen hatten nicht so viel Glück, haben keine engagierte Gemeinde, keinen Münsterbauverein und nicht so viele „Fans“, wie ich sie glücklicherweise besitze. Sie bröckeln vor sich hin und warten oft vergeblich auf Rettung. Denn Sanieren kostet Geld. Richtig viel Geld. Über 6 Millionen Euro hat allein meine Sanierung gekostet. Neben Stadt, Land und Kirche haben viele Privatleute mitgeholfen, eine derart astronomische Summe zusammenzukriegen. Aber es hat geklappt!
Und weil heute Nikolaus ist, habe ich einen Wunsch. Gut, eigentlich gibt es an Nikolaus nur was für die Kleinen bzw. Jungen, und ich bin groß und alt. Ich versuche es aber trotzdem mal. In meinem Nordturm hängen vier Glocken, deren Geläut von Fachleuten als „ansprechend, ausdrucksvoll und harmonisch“ angesehen wird und einen großen Seltenheitswert besitzt. Mein Südturm aber ist leider leer. Allerdings ist er, auch Dank der tollen Sanierungsmaßnahmen, kräftig genug, ein Geläut zu beherbergen. Im Augenblick steht noch das Gerüst drum herum, das erst nach Ende der Frostperiode abgenommen werden soll. Die Gelegenheit, einen Glockenstuhl samt Glocken einzubauen. Allerdings kostet natürlich auch das Geld. Rund 60. 000 Euro, so die Fachleute. Und das für ein Gebäude, das gerade erst über 6 Millionen Euro verschlungen hat?! Und das in einer Zeit leerer Kasse?! Und das in einer Stadt, wo es auch sonst genug zu tun gäbe, wenn nur das Geld dafür da wäre?! Glaubt mir, dass auch mir nicht wohl ist, wenn ich von meinem Berg beispielsweise auf den „Tafelladen“ gucke, wo Leute Lebensmittel „einkaufen“ können, die kein Geld für einen „normalen“ Supermarkt haben. Oder wenn ich den Marktplatz betrachte oder die Rheinuferpromenade, wo mit ein bisschen Geschick und natürlich dem lieben Geld eine Menge positiv zu verändern wäre. Aber was ist eine Stadt ohne Charakter, was ist ein Land ohne Kultur? Wo steht eine Gesellschaft, die sich das nicht mehr leisten kann?
Und nicht zuletzt habt ihr, liebe Breisacher/Innen, es ja unter anderem auch mir und meinem Mitbewohner, dem Radbrunnen, zu verdanken, dass der Münsterberg als „besonders geschützte Gesamtanlage“ nicht mit jeder baulichen Beliebigkeit zugemauert werden darf. Hört mal in Euch rein und stattet mir, wenn Ihr Zeit und Lust habt, mal einen Besuch ab. Über die neuen Glocken würde ich mich jedenfalls riesig freuen,
Euer Münster St. Stephan!“
Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 3601 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 06.12.2010 15:41.

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