Rund zwanzig Jahre hat er vor sich hingebröckelt, der „Alte Winzerkeller“ an der Kupfertorstraße. Aber in diesem Jahr geht es den räudigen Riesenhallen an die Substanz. Rund 1, 1 Millionen Euro aus Landesfördermitteln und der eigenen Kasse - letztlich also alles Steuergelder - lässt es sich die Stadt kosten, sich des Schandflecks zu entledigen. Und der Grundstückseigentümer, der Badische Winzerkeller, hatte wenig Mühe, für das leer geräumte Sahnestück am Fuße des Münsterberges bauwillige Investoren zu finden. Eine Fläche, die mit der maroden Bebauung über zwei Jahrzehnte keiner haben wollte. Mit der "Connection" der Firmen Hochtief, Treubau AG und mit Stadtplaner Dr. Bernd Fahle werden nun Bauherren-Träume Wirklichkeit. Hochwertiges Loftwohnen in der entkernten, zweigeteilten und mit Fenstern bestückten Anlieferhalle und drum herum ein buntes Sammelsurium verschiedenster Wohnformen für Besserverdienende. Dazu, vom Bauverein Breisgau, noch ein soziales Feigenblatt: Ein Gebäude mit Gemeinschaftsräumen sowie Sozialwohnungen. Drumherum ein bisschen Grün - das wird das Haus vom Nikolaus! Die Dächer, so Stadtplaner Dr. Bernd Fahle, müssten bei diesem Bauvorhaben gelingen, denn, das ist das Besondere an der Lage unterhalb des Breisacher Hausberges: nicht nur Fluggäste können das Neubaugebiet zukünftig von oben sehen. Also wird an Dächern alles aufgeboten, was sich Dach nennen darf. Vom guten alten Satteldach für die knuffigen Doppelhäuser bis zum peppigen Flachdach für die Attikageschosse der Mehrfamilienhäuser. Für die Anlieger bleiben bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung Belästigungen nicht aus. Jedoch setzen Stadt und Bauherren auf Information, Kommunikation und möglichst schonende Abbruchmaßnahmen. Und da sich das Winzerkellerareal in einer Gegend mit wenig historischer Bausubstanz, dafür aber einem geregelten Bebauungsplan befindet, vermochten die Pläne der Breisacher Bauklötzchen-Paten Niemanden wirklich aus der Reserve zu locken. Auf der Bürgerinformationsveranstaltung zum Gestaltungskonzept für das rund 20. 000 m² große Areal im Juli dieses Jahres hatten sich jedenfalls nur ganze neun Bürger/Innen eingefunden, um den Ausführungen der beteiligten Planer und Firmen zu lauschen.
Anderes Potential bietet überraschenderweise ein weitaus kleineres Projekt, das nahezu unbemerkt und kurz vor den großen Ferien auf die Tische der Breisacher Gemeinderäte/Innen geflattert war. Ein Neubauvorhaben im Herzen der Europastadt, auf dem ehrwürdigen Münsterberg nämlich. Auch hier sollenhochwertiges Wohnen (und das Kassieren der Bauherren) endlich Wirklichkeit werden, mit einer eingelaufenen Variante der Lofthäuser aus der Kupfertorstraße nämlich.
„Ich werden ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann“,
heißt es süffisant in Mario Puzos weltbekanntem Roman "Der Pate". Ein ähnlich unwiderstehliches Angebot hatten wohl auch die Herren der Treubau AG in der Aktentasche stecken, als sie den Zuschlag für das städtische Grundstück in der Kettengasse erhielten, auf dem zu diesem Zeitpunkt noch die alte Aula des Breisacher Theresianums ein unbehelligtes Schattendasein fristete. Denn eigentlich war vorgesehen, das Grundstück nur an einen Investor zu vergeben, der ein zum Münsterberg passendes Bauvorhaben beabsichtigt. Aber was heißt denn hier passend? Was nicht passt, wird doch passend gemacht! Alte Handwerkerweisheit! Und Sätze mit eigentlich kann man sich eigentlich sparen! So oder ähnlich wohl die Argumente der Befürworter des wuchtigen Wohnneubaus mit Würfelcharme. Und Bausünden, die gibt es auf dem Münsterberg schließlich genug. Große und kleine, die Neue wird halt ein bissl größer… Denn der historische Hügel hat ein Problem. Auf dem Berg mit Münster- Wahrzeichen stand nach dem zweiten Weltkrieg kaum mehr ein Haus. Und wie in vielen kriegszerstörten Städten und Gemeinden hatte man zunächst nur eine Sorge, nämlich möglichst schnell und möglichst günstig Wohnraum zu schaffen. Bis in die 50er Jahre wurde also einfach mal drauf los gebaut. Mit Beginn des Wirtschaftswunders konnte und wollte man sich neben der intensiven Beschäftigung mit der "Fresswelle" auch wieder ein wenig dem Schöngeistigen widmen. So wurde in vielen Städten, so auch im Jahre 1958 für den Breisacher Münsterberg, ein „Gestaltungsplan“ entworfen, der allerdings, im Gegensatz zu einem zeitgenössischen Bebauungsplan, die Wirksamkeit einer auf einer Kaffeefahrt für rund 1199 Euro erworbenen Magnetstrahlen-Decke hat: keine. Und für Gebiete ohne Bebauungsplan gilt das „Einfügungskriterium“, das besagt, dass gebaut werden darf, was sich in die bisherige Bebauung einpasst. Und das wiederum liegt im Auge des Betrachters. Die Betrachter/Innen der neuen Bürgerinitiative für einen Bebauungsplan Breisacher Oberstadt gucken offensichtlich nicht richtig. Vielleicht müsste man auch ihnen ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können? Eventuell eine „sensible Überarbeitung“ des ganzen Areals? Da durch die Abbruchmaßnahme auf dem ausgehöhlten Hügel ohnehin die ersten Häuser Risse bekommen, warum nicht gleich noch weiter umgestalten? Auch für den Radbrunnen oder das Münster gäbe es sicherlich kreative architektonische Ideen. Hochwertiges Wohnen im Gebetsloft mit Rundblick über Rhein, Schwarzwald und Vogesen? Nur Entkernen müsste man und noch ein paar Fenster „einsägen“. Oder ein Mehrgenerationenhaus im Radbrunnen mit „Lifta“ an der Außenfassade? Und in den hohlen Berg ein paar Tiefgaragen, dann sind endlich die ollen Blechkisten aus dem neuen „historischen Stadtbild“ raus und das nervige Gewackele hört endlich auf.
ALLES BETON? Die Bauklötzchen-Paten werden werbegerecht sagen: Es kommt drauf an, was man draus macht!
Die Herr- und Damenschaften der Bürgerinitiative sind keine Visionäre! Ihnen fehlt ganz offensichtlich das fahle Stadtplaner- Auge. Fahl bedeutete in mittelhochdeutsch bekanntlich „von blasser Färbung“. Aber das lässt sich ändern. Mit etwas patenter Paten- Farbe und glückseligmachenden, partnerschaftlichen Paten- Argumenten? In der Stadt am Rhein gibt es noch so viel zu tun: Packen wir´s an! Die geplanten Ladengeschäfte mit „nicht zentrenrelevantem Sortiment“ auf dem ehemaligen KBC- Gelände: einfach im schicken Loftstil bauen. Das alte Polizeigebäude an der Bahnhofstraße, eine Art „Memento Mori“ für alle Gäste, die Breisach mit der Bahn besuchen, von Touristen auch liebevoll „Villa Sperlingslust“ genannt: Entkernen, Attikageschoss, Flachdach drauf, fertig! Und die unschönen Industriehallen an der Kandelstraße: Wie gemacht für hochwertiges Wohnen...und großzügiges Kassieren! Vielleicht findet sich auch noch irgendwo ein Rest Stadtmauer zum Freilegen dahinter, das die moderne Architektur historisch einfasst. Der olle Kiosk auf dem Heinrich-Ulmann-Platz: schon jetzt höchster architektonischer Genuss! Da fehlt nur noch ein Investor für den letzten Feinschliff. Oder das rumpelige Terrarium wird das Kartenhäuschen für den längst überfälligen Lift auf den umgestalteten Münsterberg. Vielleicht gleich mit Car-Lift direkt in die neuen Tiefgaragen?! Das nennt man Visionen à la Breisach 21! - Made by Fahle & Friends? Der flexible und umtriebige Stadtplaner berrscht wohl mühelos die "Kunst", zwei Herren gleichzeitig zu dienen und hat damit anscheinend nicht den geringsten Interessen-Konflikt: Der Stadt und den Bürgern als Stadtplaner und einzelnen Bauherren als ihr (bezahlter?) Berater?
Unumstritten ist, dass Breisach in der Tat, und nicht nur in baulicher Natur, Visionen und Aktionen braucht, um sein großes Potential weiter und vorteilhafter zu entfalten. Aber diese sollten genau darauf überprüft werden, ob sie neben dem Gesichtspunkt „schöner Wohnen für Millionen“ auch dem „Einfügungs-Kriterium“ in den gesunden Menschenverstand genügen! Und eventuell auch der Einfüg/fühlsamkeit in den historischen Kern von Breisach und seiner Menschen-Seelen.
Bau-Paten-Vertreibuung vom ehrwürdigen Münsterberg per Bye-Bye-Ticket?
Eine interessante Vison wäre es wohl, wenn Breisachs Bürger/Innen den Paten der neuen Breisacher Bau-Zukunft ihrerseits ein unwiderstehliches Angebot machen würden: Eine Einbahn-Mond-Fahrt hinunter vom ehrwürdigen Münsterberg in "Teufels Höllen-Küche" für mässigen Seelen-Geschmack und ein Bye-Bye-Ticket aus der Europa-Stadt? Zu gut neudeutsch: Eine "Und-Tschüss-Fahrkarte" - ohne Rückfahrt.