Über 600 Menschen haben in Breisach am Montagabend, den 04. Oktober 2010, gegen die geplante Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke demonstriert. Auf einem einstündigen Rundkurs durch die Innenstadt zeigten die Demonstrationsteilnehmer/Innen mit Trommeln, Trillerpfeifen und Transparenten, was sie von den Plänen der schwarz- gelben Regierung hielten, den geplanten Atomausstieg für unbestimmte Zeit auf Eis zu legen: Nichts! Mit dem Verlauf der Demonstration waren Organisatoren/Innen und Polizei gleichermaßen zufrieden.
Die deutsche Demo- Kultur, seit Ende der 80er Jahre und der Wiedervereinigung vorwiegend zur Ausdrucksform der extremen Linken und (Berufs-)jugendlichen geworden, erfährt dank Stuttgart 21 gegenwärtig eine Renaissance. Politiker/Innen, die souverän am Bürgerwillen vorbeiarbeiten, sind an dieser Entwicklung sicher nicht ganz unschuldig. Auf dem Breisacher Neutorplatz hatten sich am Montagabend jedenfalls weder ein „schwarzer Block“ noch die gefürchteten „langhaarigen Krawalltouristen“, sondern ein Querschnitt durch die Bevölkerung versammelt, um der geplanten AKW- Laufzeitverlängerung eine Absage zu erteilen.
Bei den Organisatoren der Demonstration, so die ehemalige ULB- Stadträtin Dr. Petra Breitenfeldt in ihrer Begrüßungsrede, handele es sich nicht um ein politisches, sondern um ein parteiübergreifendes bürgerliches Aktionsbündnis. Es ginge, so Breitenfeld weiter, nicht um eine bestimmte politische Richtung, sondern um eine „Form der Politik, die in Nacht- und Nebelaktionen“ Entscheidungen treffe. So sei die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke am Bundesrat vorbei gewissermaßen im Zwiegespräch zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle beschlossen worden, führte Breitenfeldt aus. Wo allerdings der strahlende Müll, ein pikantes Überbleibsel der Kernenergie, gelagert werden soll, bliebe auch auf Seiten der Entscheidungsträger weiterhin offen. „Wir können etwas tun“, schloss Petra Breitenfeldt ihre Ansprache und forderte alle Anwesenden auf, der Atomlobby eine Absage zu erteilen und zum „Öko- Strom“ zu wechseln.
Der Geschäftsführer des ebenfalls am Aktionsbündnis beteiligten BUND, Axel Mayer, überbrachte zunächst eine fiktive Grußbotschaft von Landesvater Stefan Mappus und Innenminister Heribert Rech. Alle, die bei einer Demo nichts verloren hätten, Alte und Junge nämlich, möchten bitte nach Hause gehen. Allein Vermummte und Radikale sollten mitlaufen, da die Polizei bereits Wasserwerfer, Hubschrauber und zwei Hundertschaften bereitgestellt hätte. Anschließend stellte Mayer die gefährlichste Demonstrantenwaffe, den „schwäbischen Pflasterstein“ vor. Laut Mayer hatte der Wurf mit einer Rosskastanie, um eine solche handelt es sich bei der „schwäbischen Wunderwaffe“, mit zur Polizeigewalt in Stuttgart beigetragen. In Bezug auf die bunt gemischte Versammlung zog Axel Mayer nicht nur Parallelen zu Stuttgart 21 sondern auch zum Protest gegen das geplante AKW Wyhl in den 70er Jahren, das letztlich am Widerstand aller Bevölkerungsschichten gescheitert war. „Es geht“, so kam Mayer zurück zum Anlass der Breisacher Demonstration, „um Geld und nichts anderes.“ Die Stromkonzerne regieren das Land, was im krassen Widerspruch zur Demokratie stehe. Die Laufzeitverlängerung sei weder christlich noch konservativ, betonte der BUND- Geschäftsführer, sondern eine „Gefahrzeitverlängerung“. Bevor sich der Zug in Bewegung setzte, forderte Mayer alle Anwesenden auf, sich für Öko- Strom zu entscheiden, die Castor- Transporte zu bremsen und mit Leserbriefen und (Auto-)aufklebern Farbe gegen Atomstrom zu bekennen.
Gegen den Verkehr von der Polizei geschützt bewegten sich die Demonstranten/Innen anschließend unter entschlossenen „Abschalten“ - Rufen und lediglich mit bunten Transparenten, Wimpeln und Atommüllfässchen bewaffnet, entlang des Marktplatzes, durch das Gutgesellentor auf den Münsterberg und über Rhein- und Kupfertorstraße zurück zum Ausgangspunkt der Veranstaltung, wo sich der friedliche Zug gegen 19 Uhr 15 langsam auflöste.
Autor: Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 3257 ISSN 2698-6949)