Totgesagte leben länger! - Breisacher Weihnachtsmarkt vor dem Aus?
Fehlende Holzbuden: Kein Weihnachtsmarkt in Breisach! (Bild: Internet)
Nachdem der Breisacher Weihnachtsmarkt, der traditionell am ersten Adventwochenende stattfindet, bereits seine Vertreibung von der Fußgängerzone auf den Neutorplatz ertragen musste, wurde die Veranstaltung für dieses Jahr kurzfristig ganz abgesagt. Der Organisator, der Gewerbeverein Breisach, begründete die Streichung des vorweihnachtlichen Budenzaubers mit der bereits anderweitigen Verwendung der aus Frankreich stammenden Leihverkaufshütten. Stadtverwaltung und Breisach Touristik haben jedoch für die stimmungsschwangeren Vorweihnachtswochen ein Alternativprogramm aus dem Hut, pardon, der Mütze gezaubert, das in der kommenden Woche der Öffentlichkeit vorgestellt werden wird.
„Kulinarischer Advent“ heißt die neue „Stimmungsmache“, die über den Verlust des Weihnachtsmarktes hinwegtrösten soll. Neben „Kulinarischen Stadtführungen“ mit adventlich- weihnachtlichem Einschlag wird es einen Kochwettbewerb mit einem Sternekoch geben, bei dem sich ambitionierte Hobbyköche im sportlichen Kochwettstreit à la „Küchenschlacht“ messen können. Außerdem wird der von Gastwirtin und Marktstandbetreiberin Iris Diodone initiierte kleine „Dauerweihnachtsmarkt“ auf dem Neutorplatz auch in diesem Jahr Freunde/Innen von Flammkuchen, Bockwurst und Glühwein versorgen und in die jahreszeitlich bedingte Weihnachtsstimmung versetzten.
Aber muss überhaupt getröstet werden? Bei der Suche nach Trauernden in der Breisacher Bevölkerung blieb die REGIONALIA- Redaktion weitgehend erfolglos. Denn bis auf den erfreulichen Nebenaspekt eines kleinen Zusatzeinkommens für Kindergärten, Schulen und Vereine, die bisher Stände auf dem Weihnachtsmarkt betrieben hatten, scheint der Veranstaltung kaum jemand etwas Positives ab gewonnen zu haben. Auch hatten sich die Ehrenamtlichen unter den Standbetreibern die längste Zeit mit den unverhältnismäßig hohen Standmieten in Relation zu schwindenden Besucherzahlen herumschlagen müssen. Und das obwohl, wie jetzt bekannt wurde, die abschließbaren Verkaufsbüdchen vom Veranstalter alljährlich kostenlos aus Frankreich geliehen werden konnten. Ein weihnachtliches Kuschelgefühl wollte, insbesondere seit dem Exil auf dem sich an einen Parkplatz schmiegenden Neutorplatz, auf dem Breisacher Markt ohnehin nie wirklich aufkommen. Dominiert von einem lärmenden, Buntlämpchen bestückten Fahrgeschäft, das wahlweise Ballermannhits oder Weihnachtsschnulzen lautstark absonderte, herrschte zwischen den Mietbuden zunehmend trostlose Leere. In vielen anderen Gemeinden hingegen ist auf den Weihnachtsmärkten oft kein Durchkommen mehr. Beispiele für Weihnachtsfülle gibt es reichlich in der Breisacher Umgebung: Märkte mit dem besonderem Altstadt- Flair wie in Burkheim, Endingen oder Staufen haben es schon durch ihre Kulisse leicht zu überzeugen. Aber auch bunt geschmückte Hüttendörfer wie auf dem nicht gerade charismatischen Bad Krozinger Lammplatz ziehen alle Jahre wieder die Besucher scharenweise an. Vom Riesenweihnachtsdrängelmarkt in Freiburg einmal ganz zu schweigen. Was also ist Schuld an der Breisacher Weihnachtsmarktkrise? An der Konkurrenz allein kann es kaum liegen, denn auch die oben genannten Positiv- Beispiele machen sich ja munter Konkurrenz, ohne dass eine der Veranstaltungen merklich darunter leiden müsste. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass es sich in Breisach ein Standortproblem handelt. Denn, und dieses Thema ist nicht nur in Bezug auf Veranstaltungen in der Europastadt nicht wirklich neu, es fehlt dem „Schmuckkästchen“ (Ludwig XIV) am Rhein an einem zusammenhängenden (Alt-)stadtkern in der Unterstadt. „Totgesagte leben länger“, weiß der Volksmund. Vielleicht ist das diesjährige Aus für den Koma- Patienten Breisacher Weihnachtsmarkt auch der Startschuss für einen Neubeginn auf einem Niveau, das der Stadt in ihrer Größe und Bedeutung angemessen ist und sich mit dem Angebot der Nachbargemeinden messen kann. Die Antwort auf die WO- Frage ist ein, wen nicht der, zentrale Baustein in Richtung attraktiver, einzigartiger Breisacher Weihnachtsmarkt. Und vielleicht auch einmal mehr Anstoß, über eine sinnvolle Innenstadtneugestaltung - auch über die Weihnachtszeit hinaus - nachzudenken. Rasch neu gestaltet sollte jedenfalls die Internetseite „weihnachtsmärkte-in-deutschland.de“ werden, denn hier wird der Breisacher „Nicht“- Weihnachtsmarkt noch groß angekündigt. Die Absage kam eben sehr kurzfristig!
Autor: Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 3387 ISSN 2698-6949)