REGIONALIA- Breisacher Nachrichten: Herr Hahn, es gibt zwei Jobs, die hier in der Region im Augenblick vermutlich kaum jemand freiwillig machen würde: Bürgermeister von Staufen und Vorstand beim Badischen Winzerkeller. Beide haben verstärkt mit Rissen, mal geologischen mal ideologischen, zu kämpfen. Fühlen Sie sich trotz stürmischer See noch wohl „auf der Brücke“?
Axel Hahn: Wie Sie wissen bin ich im hohen Norden, genauer gesagt in Hamburg, aufgewachsen und daher mit rauer See, Stürmen, Wind und Wetter vertraut. Natürlich ist es schwieriger, mit einem Supertanker auf Kurs zu gehen als mit einem Schnellboot flexibel umgehen zu können. In der Navigation des hart umkämpften Weinmarktes sehe ich mich besonderen Herausforderungen konfrontiert. Ich bin zuversichtlich, hier die richtigen Koordinaten ausfindig machen zu können, damit wir als Badischer Winzerkeller wieder ruhigeres Fahrwasser erreichen.
R-BN: Herr Ernst, nun Ex- Aufsichtsratsmitglied und Wortführer der Winzer vom Silberberg, hat deutliche Worte gebraucht. In gestrigen Ausgabe von „Der Sonntag“ ist von Misswirtschaft und Innovationsstau beim BWK zu lesen. Was entgegnen sie Herrn Ernst, der selbst Geschäftsmann und Nebenerwerbswinzer ist?
Axel Hahn:Seit Juni dieses Jahres bin ich jetzt beim Badischen Winzerkeller und möchte die Belange vor meiner Zeit nicht bewerten. Ich richte mit meinem Team den Blick nach vorne und habe aber Verständnis für Unmut über Versäumnisse der Vergangenheit, die sich bis zum heutigen Tage aufgestaut haben. Das müssen wir nun zügig aufarbeiten.
R-BN: Als Sie im Juni 2010 angetreten sind, das angeschlagene BWK- Schiff auf einen neuen Kurs zu bringen, nannten Sie Verkauf ab Hof sowie Ausbau des Vertriebs über die Discounter als Schwerpunkte. Die Discounter mit dem roten L oder dem blauen A sind dafür bekannt, bei ihren Lieferanten nicht nur hohe Qualitätsmaßstäbe anzulegen, sondern gleichzeitig auch kräftig an der Preisschraube zu drehen. Auf der anderen Seite herrscht bei den Winzern, die den BWK beliefern seit langem Unmut über das als zu gering empfundene Traubengeld. Wie wollen Sie diesen Spagat meistern? Was entgegnen Sie den erzürnten Winzern?
Axel Hahn:Zum "Verkauf ab Hof" kann ich Ihnen sagen, dass wir uns hier in einem recht guten Fahrwasser bewegen. Für den regionalen Verkauf in der Region sind unser Besuchermarkt im Winzerkeller, die „Vinothek“ am Breisacher Marktplatz und das „Winzeroutlet“ an der Autobahn bei Hartheim gute und zufrieden stellende Verkaufsstellen. Wie angekündigt intensivieren wir diesen Bereich und haben seit Anfang November unseren neuen Leiter Direktvermarktung Herrn Schmidt bei uns im Hause, der von Maßnahmen zur Stärkung unserer Ortsverkaufstellen bis zum Internet-Verkauf für nachhaltige Erweiterung der regionalen Vermarktung sorgen wird. Im Kontrast dazu sind natürlich die Discounter eine ganz andere Absatzschiene, geprägt von harten Kundenvorgaben, Qualität und - das sei hier nicht verschwiegen - auch von Abhängigkeit. Bei dem einen sind wir mal mehr im Boot, beim anderen mal weniger, was auch für Wellenbewegung und tüchtig Seegang sorgt.
R-BN: Auch einige Discounter setzten mittlerweile beim Wein auf eine höher preisige „Winzerlinie“. So bietet der Sohn des ehemaligen „Rebellen vom Kaiserstuhl“ Franz Keller, Fritz, eine Discounterweinlinie an. Ist das untere, breite Preissegment wirklich noch ein zukunftsfähiger Trend?
Axel Hahn:Die Discounter decken im Weinbereich über 50 % des Markets ab. Nicht nur im Preiseinstiegsbereich sondern vermehrt im Premiumbereich. Unser Jungwinzerprojekt im Discount ist sicher ein Leuchtturmprojekt. Das eine schließt aber das andere nicht aus. Fakt sind aber auch die GfK-Zahlen, die belegen, dass über 70 % des Weinmarktes sich unter einem Endverbraucherpreis von 1.99 € bewegen. Auch diesen Realitäten können wir uns nicht verschließen.
R- BN: Nicht zuletzt auf dem diesjährigen Bezirksweinfest Kaiserstuhl/ Tuniberg in Breisach war eine klarer Schwerpunkt zu erkennen: Eine verhältnismäßig junge Kundschaft kauft verhältnismäßig teure Weine. Auch der Einkauf „direkt beim Erzeuger“, der Besuch samt Weinprobe auf den kleinen, teils sehr innovativen Winzerhöfen, liegt voll im Trend. Im Gegenzug zur „Geiz ist Geil“- Mentalität ist bei einer größer werdenden Käuferschicht der wachsende Wunsch zu Genießen und „sich Gutes tun“, durchaus auch für mehr Geld, zu erkennen. Wollen Sie die Produkte des BWK auch für diesen Kundenkreis interessant machen? Wie wollen Sie diese Kunden/Innen für den Riesen BWK begeistern?
Axel Hahn:Ich kann diesen Trend nur bestätigen. Das junge Publikum beobachten wir vermehrt auch bei uns. Als Besucher, Weinkäufer und auf Weinfesten, worüber wir uns sehr freuen. Deshalb antworten wir auch mit z.B. Themenwochenenden zu "Angesagtem" rund um den Wein. Ein gutes Beispiel ist unsere "1. Glühwein-Nacht am Samstag, den 11. Dezember, ab 17.00 Uhr bis Mitternacht". Hier lebt man "das Feeling" um den Winzerglühwein im Holzfasskeller. Das macht für alle Beteiligten Lust auf mehr und das wollen wir auch weiter so ausbauen.
R- BN: Siegfried Ernst beklagte unter anderem „Innovationsstau“. Und mal Hand auf´ s Marketing- Mann- Herz: Finden Sie das Werbekonzept sowie die Darstellung des BWK nach Außen noch zeitgemäß? Dagegen peppen viele junge Winzer/Innen, die Generation um die 40, ihre Marketingkonzepte gehörig auf: (Kulturelle) Veranstaltungen auf den Höfen, peppige Flaschenetiketten usw. Wird der BWK in dieser Richtung etwas tun? Worauf darf man gespannt sein? Welchen Kurs nimmt das BWK- Traumschiff?
Axel Hahn:Schauen Sie mal auf unsere aktuell fertig gestellte neue Homepage www.badischer-winzerkeller.de. Hier präsentieren wir uns frisch und wie Sie sehen ganz "natürlich". Wir haben schon ein ganzes Stück von Werbemaßnahmen verbessert. Auf der Produktseite möchte ich Ihnen ein Highlight, die GREEN MOMENTS nennen, wo wir uns den jüngeren Verbrauchergruppen ausrichten. Da kommt bald mehr. Wir haben etliche "Schnellboote im Wasser".
R- BN: Sehr geehrter Herr Hahn, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für das REGIONALIA- „e- Interview“ genommen haben! Und natürlich haben Sie das letzte Wort!
Axel Hahn:Hier möchte ich einen Dank aussprechen an unsere Winzerinnen und Winzer und die "Mannschaft auf Deck" für das Vertrauen und Engagement trotz stürmischer See.