Die Schmierfilms, eine sympathische Mischung aus den Bundys und den Osbournes, sind zu ebenso plötzlichem wie unerwartetem Reichtum gelangt. In einer umgekippten Mülltonne haben die beiden Müllwerker Erich (Michael Wolf) und Georg „Schorsch“ (Daniel Fuchs) eine seltene Briefmarke, die „Violette Mauritius“, gefunden, deren unschätzbarer Wert darin besteht, „dass es sie gar nicht gibt“.
Während sich Erich in der neuen 60- Zimmer- Villa mit Kumpel und Butler Georg, dem ehemaligen Kollegen, und dem spanischen Hausgehilfen Fernando (Simon Gippert) zurück in seine Zeit als Müllwerker träumt und auch Lieblingstochter Lena (erstmals dabei: Lena Fuchs) mit dem neuen Leben wenig anfängt, scheint „Gertrüde“ Schmierfilm der Reichtum zu Kopf gestiegen. Sie ist dem Shoppingwahn verfallen und träumt vom Aufstieg in die „bessere Gesellschaft“. Also wird fleißig aber weitestgehend erfolglos an der französischen Aussprache gefeilt (Andree sil vuuz plee!) und versucht, mit Hilfe der neuen besten Freundin, Freifrau Jolanda von Dünkel (Sonja Fuchs), Kontakt zum Hochadel zu knüpfen. Denn in diesen soll Tochter Lena einheiraten, um der Familie zu einem zum neuen Wohlstand passenden alten Namen zu verhelfen.
Damit bei der ersten Begegnung mit dem potentiellen Schwiegersohn, Graf Filius Ohnemoos von Schüttel- Hand (Klaus Herz), und seiner Mutter Gräfin Walburga (Birgit Greschel) auch ja nichts schief läuft, wird die Salzburger „Super Nanny“ Else Schulz (in breitestem Wienerisch Daniela Steimer) engagiert, um vor allem Jogginganzugträger Erich in Sachen Knigge auf Vordermann zu bringen. Zusammen mit der fidelen Vorsitzenden des Liederkranzes „JuHu 1904“ (Beate Littner), die eigentlich nur in die Villa Schmierfilm gekommen ist, weil sie sich Geld für ein neues Klavier erhofft und dann am Likör kleben bleibt und dem sympathisch sächselnden Chauffeur der Schüttelhands, Ossi Ulf (Martin Littner), ist die Besetzung für ein urkomisches Verwirrspiel komplett. Und klar ist natürlich, dass am Ende der „lusitgen Komödie“, so der passende Pleonasmus des Niederrimsinger Ortsvorstehers Wendelin Hintereck in seiner Anmoderation, alles anders kommt als geplant und so mancher nicht der/ die ist, der er/ sie vorgibt zu sein. Denn irgendwie steht mit dem Benehmen der adligen Herrschaften auch nicht alles zu Besten…
Dass man es bei der Niederrimsinger- Theatergruppe von den Darstellern/Innen bis zum Autor und Regisseur mit Laien zutun hat, mag man beim Betrachten der „Violetten Mauritius“ eigentlich nicht glauben. Die Dialoge sind stimmig und sitzen, die Pointen sind spritzig, die rasant wechselnden Auftritte der Figuren wirken weder steif noch einstudiert und die Charaktere sind ebenso originell wie schlicht zum Brüllen komisch. Vermeintlich „Freudsche Weisheiten“ wie „die Gegenwart ist das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft“ (Else Schulz), oder Erkenntnisse wie „unser Mülleimer ist unsere Intimsphäre“ (Erich Schmierfilm) geben nur unzureichend wieder, welches Wortfeuerwerk des Autors und Regisseurs Michael Gippert, der mit der „Violetten Mauritius“ bereit sein viertes Theaterstück geschrieben hat, die durchweg brillanten Darsteller abfeuern.
Umso erstaunlicher ist, dass Gippert, der im „wirklichen Leben“ Elektriker ist, das Stück in nur 14 Tagen geschrieben und aufgrund von Besetzungsveränderungen noch während der Proben umgeschrieben hat. „Nichts Besonderes“, so der bescheidene Autor lapidar.
Dass aber von Nichts Nichts kommt, bewies die enorm zeitaufwendige Probenarbeit. So bedankte sich Michael Gippert im Anschluss an die Aufführung, die mit tosendem Applaus von rund 400 Händen gefeiert wurde, vor allem bei „seinen“ Schauspielern/Innen und deren Familien. Von September an hatte man sich dreimal wöchentlich zum Probenabend getroffen, um das Stück rechtzeitig zur Premiere am Zweiten Weihnachtsfeiertag auf die Bühne zu stellen. Neben den Darstellern/Innen bedankte sich Gippert auch bei allen unermüdlichen Helfern der Theateraufführung und den unsichtbaren Händen hinter der Bühne, der Souffleuse und „Maskenbildnerin“ Ingeborg Federer und dem „Bühnentechniker“ Dominik Willy.
Neben einer Flasche Sekt als Dankeschön an Ortsvorsteher Hintereck, der es sich nicht hatte nehmen lassen, die An- und Abmoderation einer jeden „Mauritius- Vorstellung“ gewohnt humorig zu übernehmen, gab es noch ein besonders Geschenk für alle, die bisher nicht in den Genuss des Theaterstückes gekommen sind: Am 5. Februar 2011 besteht die Möglichkeit, bei einer Sondervorstellung in Freiburg- Tiengen, zu erfahren, was denn nun aus Familie Schmierfilm und der Welt des Adels geworden ist. Denn das wird in diesem Artikel selbstverständlich nicht verraten!
Und wer die „Mauritius“ schon gesehen hat, kann es vor Spannung, was die Niederrimsinger Theatermacher/Innen sich für 2011 ausdenken, bis zum Zweiten Weihnachtsfeiertag dieses Jahres wohl kaum noch abwarten. Mehr Infos zum Theater gibt es im Internet unter
www.tin-web.de.