Zunächst begrüßte Bürgermeister Oliver Rein insbesondere die Azubis des Breisacher Rathauses, die einmal jährlich das Vergnügen haben, an einer Gemeinderatssitzung teilzunehmen. Anschließend verlas Rein die zusammen mit der TRAS erarbeitete Resolution zur Abschaltung des Atomkraftwerkes im französischen Fessenheim.
„Man muss das mal gesehen haben!“ – TOP 1: Bürgerfragestunde
Wilfried Wagner und Fredo Mattheis, Vorkämpfer für die Breisach Umgehungsstraße Ende der 70er Jahre, machten ihrem Unmut über die unhaltbare Situation in der Rheinstraße Luft. „Man muss das mal gesehen haben“, so Wilfried Wagner, der sich von einem Friseurbesuch in Breisachs pulsierendem Zentrum noch nicht wieder erholt hatte. Die für einen Straßenabschnitt an gedachte Geschwindigkeitsreduzierung nannte der verkehrsgeplagte Herr eine „homöopathische Maßnahme“ angesichts der vorhandenen „Katastrophe“.
Bürgermeister Rein versicherte, dass auch „größere Lösungen“ in Sachen Verkehrsberuhigung geprüft würden, es aber ein langer Weg sei, zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Die Stadt stünde erst am Anfang einer „nicht einfachen Verkehrsdebatte“. In Sachen Umgehungsstraße schloss sich Rein der Auffassung an, dass diese mehr genutzt werden müsse.
Ortschaftsrat Andreas Hoffmann aus Niederrimsingen wollte wissen, ob im Zuge der Sanierung der B31 auch die Unfallschwerpunkte Abzweigung Grezhausen und Zufahrt Rothaus angegangen werden würden. Tiefbauamtsleiter Siegmar Geisert betonte, dass es sich bei den für Herbst 2011 geplanten Maßnahmen ausschließlich um Sanierungsarbeiten handle.
Dr. Andreas Hoffmann aus Breisach war auf der Suche nach der Verkehrsberuhigten Zone, die ihm beim Kauf seines Grundstücks rund um eben dieses in Aussicht gestellt worden war. Bürgermeister Rein wollte keinen Dialog mit Hoffmann führen, wohl aber mit den anderen betroffenen Bürgern, um zu erfahren, was allgemein für das Wohngebiet gewünscht würde.
Vereinfachte ewige Ruhe – TOP 2: Zweite Änderung der Freidhossatzung
Bereits zum zweiten Mal steht in Breisach die Änderung der Friedhofssatzung an. Die Verwaltung hat mit dem neuen Satzungsentwurf „etwas Gute vorgelegt“ freute sich Hauptamtsleiter Harald Bitzenhofer. Im Wesentlichen geht es bei der Novelle um Vereinfachungen der Vorschriften sowie einheitliche Regelungen in Kernstadt und Teilorten. Viele doppelt gemoppelte Verordnungen wurden aus der neuen Satzung gestrichen. Die Höhe von Grabsteinen als auch Grabpflanzen auf einheitliche 1, 20 Meter festgelegt. Gärtnermeisterin Anita Güth (CDU) empfand die Pflanzenhöhe von 1, 20 Meter als sehr niedrig, zumal Pflanzen im Gegensatz zu Grabsteinen ja wachsen. Harald Bitzenhofer versicherte, dass zumindest bestehende Großpflanzen erhalten bleiben würden. Ohne Gegenstimmen wurde der neuen Friedhofsatzung zugestimmt.
Rasche Einigkeit gab es unter TOP 3: Sitzungsvergütung für Protokollführer, der bereits im Verwaltungssozialausschuss vorberaten worden war. Beamte/Innen, die in einer Sitzung das Protokoll führen, bekommen für diese Schreibleistung zukünftig eine Pauschale von 32 Euro.
Doppik nicht Doping! – TOPs 4 und 5: Neues kommunales Haushaltswesen
Ab dem Jahr 2013 stellt die Stadt Breisach vorschriftsmäßig auf das neue kommunale Haushaltswesen um. Von der Kameralistik (synchron, keine betriebswirtschaftliche Abgrenzung von Einnahme und Einzahlung sowie Ausgabe und Auszahlung), dem bisherigen typisch behördlichen System wird auf das bisher ausschließlich privatwirtschaftliche DOPPIK (asynchron, Abgrenzung von Ausgaben und Auszahlungen sowie Einnahmen und Einzahlungen) umgestellt. Hierfür ist zum einen eine Vollvermögensrechnung für die Eröffnungsbilanz aufzustellen (TOP 4) und zum anderen sind verschiedene Teilhaushalte zu bilden, um Zuweisungen aus dem Topf der Haushaltsmittel abgrenzen zu können. In einer gefühlt 1000- Seiten- starken Aufstellung sind sämtliche Besitztümer der Stadt Breisach von A wie Abwasserhebeanlage bis Z wie Zeitmessanlagen detailliert erfasst, die, wie bei einem Unternehmen auch, abgeschrieben werden können. Die Erfassungsgrenze wird auf 410 Euro netto festgelegt, so der Vorschlag der Verwaltung. Der Aufbau der Teilhaushalte (TOP 5) wurde bereits im Verwaltungs- und Sozialausschuss vorbereitet. Hier hatte man sich auf neun Untergruppen geeinigt.
Bürgermeister Rein betonte, dass die Stadt zu diesem enormen Verwaltungsakt gesetzlich verpflichtet sei, sich aber neben den großen Mühen auch Chancen aus dem neuen System ergäben. „Was man beschließt, sollte man verstehen“, so Eric Karle (ULB), der um Schulungen für die Gemeinderäte/Innen in Sachen DOPPIK bat, die vom Bürgermeister selbstverständlich zugesagt wurden. Vielleicht hat die Stadt ja auch eine Schulung für überforderte Berichterstatter/Innen im Angebot? Den beiden Beschlussvorschlägen wurde ohne Gegenstimmen stattgegeben, was hoffentlich nicht daran lag, dass keiner der Anwesenden etwas verstanden hat!
Feuerwehrentschädigungssatzungsänderung – TOP 6: Zweite Satzungsänderung über die Entschädigung der ehrenamtlichen Angehörigen der Gemeindefeuerwehr
Langer Titel, kurze Beratung. Statt 15 Euro stündlich für die Teilnahme an Lehrgängen bekommt ein freiwilliger Feuerwehrmann/ eine freiwillige Feuerwehrfrau künftig eine Pauschale von 75 Euro je Lehrgang. Ab zwei Tagen Lehrgang wird zudem der Verdienstausfall zu 100% übernommen, so der Beschlussvorschlag der Verwaltung, der einstimmig angenommen wurde.
Proportionale Mehrbelastung – TOP 7: Knappes JA zu gerechter Erhöhung der Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen
Bereits im Jahre 2009 hat die Stadt Breisach das Baden- Württemberg- Modell in Sachen Beitragszahlungen der Eltern für die Kindertageseinrichtungen eingeführt. Das Modell sieht vor, Einkindfamilien proportional stärker zu belasten. Weitere Kinder kommen günstiger – jedenfalls bei der KiTa- Gebühr.
Für das Jahr 2011 sehen die Landesverbände eine Erhöhung der KiTa- Gebühren vor. Diesen Empfehlungen will sich nun auch die Stadt Breisach in Absprache mit den kirchlichen Trägern anschließen. Die Gebühren werden um maximal 3 Euro angehoben.
Frank Kreutner (SPD) störte sich an der Verteilung der Gebührenerhöhung, die er unter sozialen Gesichtspunkten als unlogisch empfand. Der Gebührentabellenentwurf sah vor, bei Familien mit einem Einkommen unter 2.100 Euro um zwei Euro für das 1. Kind und bei Familien bis 2. 600 Euro um drei Euro zu erhöhen, wogegen Familien mit einem Einkommen über 2. 600 Euro nur mit einem Euro für das 1. Kind zusätzlich belastet werden sollen. Ebensolche Unstimmigkeiten gab es auch beim 2. Kind und für Alleinerziehende. Die SPD- Fraktion stellte den Antrag, die unterste Einkommensschicht finanziell am wenigsten zu belasten. Die Gebühren für das erste Kind würden demnach von 93 auf 94 statt von 93 auf 95 Euro ansteigen usw. Ansonsten konnten sich alle Gemeinderäte/Innen Harald Bitzenhofers Auffassung anschließen, der das Gebührensystem als „äußerst gerecht“ bezeichnete. Der Gebührenerhöhung nach Maßgabe des SPD- Vorschlages schlossen sich 14 Gemeinderäte/Innen an (ULB, SPD, FDP/FWG). Die CDU- Fraktion stimmte geschlossen gegen den äußerst gerechten Vorschlag. Mit drei Stimmen Mehrheit wurde die modifizierte Gebührenerhöhung angenommen.
(Abstimmung: JA; FDP/FWG, SPD, ULB (14) - NEIN; CDU (11), Dr. Loewe abwesend)
Wieder Einig war man sich bei der Annahme von Spenden (TOP 8).
Besser Lernen mit NAWIS oder SCALA?! – Arbeitsvergabe Sanierung naturwissenschaftliche Räume HHR (TOP 9)
„Es geht hier um viel Geld“, so Bürgermeister Oliver Rein über die überfällige Neugestaltung der ebenso betagten wie den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprechenden Unterrichtsräumlichkeiten für die Naturwissenschaften in der Hugo- Höfler- Realschule.
Bauamtsleiter Stefan Baum unterstrich die Notwendigkeit, in die Lehrräume zu investieren. In den vergangenen 30 Jahren – so lange bestehen die jetzigen Einrichtungen – hätten sich sowohl im Bereich der Sicherheitsanforderungen als auch der Pädagogik neue Aspekte ergeben. „Schulräume unterliegen einem sich wandelnden Prozess“, fasste Baum die teuren Tatsachen zusammen.
Auf der Stuttgarter Pädagogik- Messe „Didakta“ hatte sich eine Verwaltungsabordnung über moderne Unterrichtssysteme für die naturwissenschaftlichen Fächer informiert, berichtete Bauamtsleiter Stefan Baum. Anschließend hatte man zwei Angebote von den Marktführern Hohenloher (Öhringen) und Waldner (Dresden) eingeholt, die jeweils über spezielle, patentierte Systeme verfügen. Währen das System „NAWIS“ der Firma Hohenloher rund 270.000 Euro kostet, verlangt der Anbieter aus Dresden für sein System „SCALA“ satte 353.000 Euro für die geplanten 30 Arbeits- bzw. Lernplätze. Dennoch gibt die Verwaltung der Firma Waldner den Vorzug, da das System auf lange Sicht sparsamer, funktionaler und wartungsärmer ist und bereits an der Realschule in Bad Krozingen erfolgreich eingesetzt wird. Sowohl Bürgermeister Rein als auch Gemeinderat und Realschullehrer Reiner Zimmermann (SPD) hatten mit dem Rektor der Krozinger Max- Planck- Realschule, Albert ter Wolbeek, in Sachen „SCALA“ Kontakt aufgenommen und nur Positives erfahren. Für die erforderlichen Umbauten kommen auf die Gemeindekasse nochmals rund 150.000 Euro zu, so Baum.
Thierry Casetou (ULB) wollte wissen, warum man nicht noch mehr Angebote eingeholt hatte, und was an Wartungskosten zusätzlich auf die Stadtkasse zukommt. Stefan Baum entgegnete, dass es sich bei Hohenloher und Waldner um die unangefochtenen Marktführer handelt und dass sich die Wartungskosten erst in den Kaufverhandlungen ergeben werden.
Unter Enthaltung von Thierry Casetou, der die Wartungskosten vor dem Kaufentscheid kennen wollte, wurde dem Kauf der naturwissenschaftlichen Wunderarbeitsplätze der Firma Waldner einstimmig zugestimmt.
Umleitung des Zielverkehrs in homöopathischen Dosen – Rheinstraße wird verkehrsberuhigt (TOP 10)
Drei Gesichtspunkte stellte Bürgermeister Rein an den Beginn der Debatte um die für einen Teilabschnitt der Rheinstraße geplante, verkehrsberuhigte Geschäftsstraße. Erstens: Das Thema Verkehr beschäftigt die Stadt zwischen Rhein und Münsterberg seit den 60er Jahren. Zweitens: Der Verkehr insbesondere in der Rheinstraße hat Überhand genommen und schadet dem Einzelhandel und der Wohlfühlqualität. Drittens: Eine Stadt von Breisachs Größe braucht eine gewisse „Anfahrbarkeit“. In Sachen Verkehrsberuhigung sei es an der Zeit, einen ersten, überschaubaren und nicht allzu kostenintensiven Schritt zu tun, auch wenn dieser „homöopathisch“ ist, fasste Rein zusammen. Tiefbauamtsleiter Siegmar Geisert erläuterte den 1. Schritt, der in Abstimmung mit dem Landratsamt geplant worden ist. Von Sparkasse bis Optik Roll und in der Straße Gutgesellenplatz bis Spector sollen die Zebrastreifen durch Engpässe ersetzt werden. Zusätzlich sollen Fahrbahnschwellen aufgebracht werden, die die Autofahrer zur Langsamfahrt nötigen. Auch eine Umleitung für den Wohnmobil- und Busverkehr ist angedacht, so Geisert.
Jörg Leber (CDU) betonte, dass überall in Breisach der Verkehr stark zugenommen hat und deshalb auch anderswo sofort über weitere Maßnahmen insbesondere zur Umleitung des Transitverkehrs angegangen werden sollten.
Lothar Menges (SPD) war für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aber gegen eine Zone 20, da diese die ungeliebte Rechts- vor- Links- Regelung zur Folge hätte, die in Breisach schon mehrfach erfolglos erprobt worden war. Eric Karle (UBU) gab zu bedenken, dass eventuell die Rheinuferstraße als Umfahrung genutzt werden könnte. Außerdem sprach sich seine Fraktion neben der geplanten Maßnahme für eine Einbahnstraßenregelung in der Breisacher Innenstadt aus. Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h in etlichen 50 km/h- Straßen hält die ULB für überfällig. Werner Schneider (FDP) begrüßte die Beruhigungsmaßnahme, hielt aber eine Beschränkung auf 30 km/h für ausreichend. Die weit verbreitete Aversion gegen die Umgehungsstraße führte Schneider unter anderem auf die fiese Einmündung auf die B31 zurück, die vor allem von Linksabbiegern viel Geduld und Fingerspitzengefühl fordert.
Bürgermeister Rein sicherte nochmals zu, dass es sich bei der vorgeschlagenen Veränderung erst um den Beginn eines Prozesses handelt, der aber in die richtige Richtung geht. Skeptisch zeigte er sich nach wie vor gegenüber der Einbahnstraßenregelung. „Sie können Gift darauf nehmen, dass wir das zeitnah angehen“, sicherte der Bürgermeister in Bezug auf die problematische Situation in der Rheinuferstraße zu. Sogar Vollsperrungen von Breisachs Promenade an den Wochenenden schloss der Bürgermeister nicht aus. Dem homöopathisch kleinen aber von der Bedeutung her großen Schritt in Sachen liebenswertes Breisach stimmte das Ratsgremium einstimmig zu.
Mit Leo Wohleb und Josef Bueb haben es bereits zwei Breisacher Bürgermeister zu einer eigenen Straße gebracht. Wenn es in der Amtszeit von Oliver Rein in vielen kleinen Schritten tatsächlich gelingt, die Stadt autofreier zu gestalten, gibt es in ein paar Jahrzehnten vielleicht sogar einmal eine Reinpromenade.