Initialzündung für die Polit- Talkrunde im Schulgebäude war eine Podiumsdiskussion, die anlässlich der Breisacher Europatage im Juli des vergangenen Jahres stattgefunden hatte. Auf dem Festakt zum 60jährigen Jubiläum der legendären Europaabstimmung hatten MSG- Schüler/Innen im Rahmen einer Podiumsdiskussion Zeitzeugen aus den 50er Jahren befragt. Wie das „Politcafé“ war auch diese Aktion im Gemeinschaftskundeunterricht vorbereitet worden. Einen weiteren Anstoß zur Veranstaltung lieferte das Freiburger Rotteck- Gymnasium, das mit „Nachgefragt“ seit geraumer Zeit Politiker/Innen zum Gespräch einlädt. „Das können wir auch“, so Schülersprecher Gerhard Gehring, der mit seiner Moderationskollegin Nora Steinhäuser durch den Abend führte.
Biografisches
„Wie war die Zugfahrt von Stuttgart“, begann Gastgeber Gerhard Gehring die Fragerunde eher harmlos, nachdem er Bärbl Mielich und alle Anwesenden begrüßt hatte. „Ohne Verspätung“, freute sich die Grünen- Politikerin über die Deutsche Bahn. Anschließend stellte sich die 1952 in Wuppertal geborene Diplom Sozialpädagogin, die eine Praxis als Familienmediatorin betreibt, in einigen Sätzen vor. Nach ihren ursprünglichen Berufswünschen Friseurin oder Prinzessin war Mielich schon während des Studiums in den bewegten 70er Jahren politisch aktiv gewesen. Zu den Grünen war sie Mitte der 80er Jahre gekommen. Die Geburt ihrer Töchter verstärkte in ihr den Wunsch, etwas „für eine lebenswerte Welt zutun“, berichtete Bärbl Mielich über ihren Weg zu den Grünen, die damals mit dem Slogan „Wir haben die Welt nur von unseren Kindern geborgt“ für mehr ökologische Verantwortung warben. Von 1987 bis 2006 war Mielich Kreistagsabgeordnete. Im Jahre 2006 wechselte sie mit ihrer Wahl in den Stuttgarter Landtag ins Profipolitikerinnen- Lager.
10 Minuten für die Ziele
Zehn Minuten gab es für Bärbl Mielich Zeit, die politischen Ziele der Grünen für das „Ländle“ in allgemeinverständliche Worte zu fassen.
„Es ist ein großartiges Gefühl von der Opposition in die Regierung überzugehen“, freute sich die Landtagsabgeordnete zunächst über die neue Herausforderung, bevor sie die Kernpunkte grüner Politik zusammenfasste.
Zu den vordringlichen Zielen gehört selbstverständlich die Energiewende mit Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft. Hierzu müssen selbstverständlich die regenerativen Energien soweit voran gebracht werden, dass der Strombedarf gedeckt werden kann. Bis zum geplanten Ausstieg aus der Atomstromerzeugung müssten dazu beispielsweise rund 900 Windräder gebaut werden. Statt auf die großen Stromkonzerne setzen die Grünen hier vor allem auf lokale Initiativen wie die „Bürgerwindräder“.
Als zweites Hauptziel nannte Mielich eine „lebendige Demokratie“, die sich vor allem in mehr Beteiligung der Bürger/Innen an politischen Entscheidungen über Volksabstimmungen manifestieren soll. „Grün- Rot will eine Bürgerregierung sein“, betonte Mielich auch im Hinblick auf die massiven Bürgerproteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21.
Als drittes Thema nannte sie die Bildungspolitik. Mehr soziale Gerechtigkeit fordere ein anderes Bildungssystem, so Mielich. Zusammen mit dem Koalitionspartner SPD will man an einer Reform des Schulsystems arbeiten, die weniger selektiv und trennend ist. Längeres gemeinsames Lernen über die vier Grundschulklassen hinaus steht dabei im Mittelpunkt des Reformansatzes. Allerdings ist keine „Reform von oben“ angedacht. Vielmehr „sollen Schulmodelle von unten entstehen“ indem verantwortliche vor Ort Modellversuche wie beispielsweise Schulzusammenlegungen wagen. Auch die „inklusive Schule“, die Behinderten gleiche Chancen einräumt, gehört mit ins neue Schulbild der Regierung.
Hat unser Land so viel Geld?
Kritisch hinterfragt wurden von den Nachwuchsmoderatoren der Ausstieg aus S21 ebenso, wie die Bildungsreformansätze. Vor allem woher das Geld für eventuelle Konventionalstrafen in Sachen S21 sowie für das anspruchsvolle Bildungspaket samt Wegfall der Studiengebühren kommen sollte, gab dem Moderatorenduo zu denken.
„Baden- Württemberg ist ein sehr reiches Land“, so Bärbl Mielich über das Musterländle, „unsere Unternehmen sind sehr gut aufgestellt!“ Das Hauptgewicht der Investitionen, betonte Mielich, müsse auf die Bildung gelegt werden.
Bezüglich des regional besonders brenzligen Themas AKW- Fessenheim berichtete Mielich vom Schreiben ihrer Partei an Energiekommissar Günther Oettinger. Zwar setzt Frankreich nach wie vor stark auf die Atomenergie. Die für alle europäischen Reaktoren geplanten „Stresstests“ würde Fessenheim aber kaum bestehen, machte Mielich Hoffnungen.
Anschließend wurde ihre Spontaneität mit dem Vollenden halbfertiger Sätze auf die Probe gestellt. Zu „Wenn ich Bundeskanzlerin wäre…“ wollte Frau Mielich aber so gar nichts einfallen. Offensichtlich eher ein Alptraum für die Grüne Soziapädagogin.
Dem „Politcafé“ wünschte Bärbl Mielich noch eine lange spannende Zukunft. Den Schülerinnen und Schülern gab sie mit auf den Weg, dass die Zukunft der Gesellschaft viele Leute braucht, „die Lust haben sich einzumischen und das Tagesgeschehen kritisch zu begleiten“. „Keine Angst vor Autoritäten“, so der Ratschlag der erfahrenen Politikerin, die als kleines Dankeschön noch einen Blumenstrauß überreicht bekam.
Das nächste „Politcafé“ findet am Donnerstag, den 30. Juni 2011, statt. Zu Gast in der MSG- Aula ist dann MdL Dr. Patrick Rapp von der CDU. Also schon mal vormerken!