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Breisach
Dienstag, 24. Dezember 2024
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Begegnung gegen das Vergessen: Erinnerung an 300 Jahre jüdisches Leben in Breisach

Woche der Begegnung gegen das Vergessen: Vereinsvorsitzende Dr. Christiane Walesch- Schneller (Bild: J. W. Steckmeister)

Mit einer „Woche der Begegnung“ erinnert der Förderverein Ehemaliges Jüdisches Gemeindehaus Breisach e. V. vom Sonntag, den 27. Juni bis zum Donnerstag, den 01. Juli 2010 an die lange Tradition jüdischen Lebens in Breisach, das mit dem Terror der Naziherrschaft vor über 70 Jahren ein grausames Ende fand. Zur Eröffnungsveranstaltung, die am Sonntag um 11 Uhr 30 am Breisacher Radbrunnen stattgefunden hat, waren auf Einladung der Initiatorin des Fördervereins, Dr. Christiane Walesch- Schneller, neben zahlreichen jüdischen Besuchern aus dem In- und Ausland auch Breisachs Bürgermeister Oliver Rein und zahlreiche Gäste aus Politik und Kultur erschienen. 

Es sei, so Bürgermeister Oliver Rein in seiner Begrüßungsrede, „das beschämendste Kapitel in der Stadtgeschichte“: die Vernichtung der bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Breisacher jüdischen Gemeinde und die Deportation und Ermordung vieler Breisacher Juden in Lagern wie dem südwestfranzösischen Internierungslager Gurs oder dem Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau. Umso wichtiger sei es, betonte der Bürgermeister, die Erinnerung an die ehemaligen Mitbürger am Leben zu halten. Denn dass die Kraft der Erinnerung eine enorme Macht ist, hatten auch die Nationalsozialisten erkannt: Auf dem Breisacher neuen jüdischen Friedhof in der Isenbergstraße waren sämtliche Namen von den Grabsteinen getilgt worden. Mit Hilfe des Stadtarchivs und dem Förderverein Ehemaliges Jüdisches Gemeindehaus Breisach e. V. ist es nun gelungen, die Grabsteininschriften des seit 1850 bestehenden Friedhofes zu rekonstruieren. Für diese und weitere Erinnerungsleistungen dankte das Stadtoberhaupt dem Verein und seiner 1. Vorsitzenden.

„Sie ist keine Jüdin, und sie ist nicht mal in Breisach geboren “, fasste die New Yorker Jüdin Elaine Wulff- Wurmser, deren Mutter 1919 in Breisach geboren und mit 16 Jahren in die USA ausgewandert war, ihre ersten Eindrücke nach einer Begegnung mit Christiane Walesch- Schneller, die sie im Jahre 1998 anlässlich der Einweihung des Breisacher Synagogenplatzes kennen gelernt hatte, zusammen. Zunächst herrschte bei den ehemaligen Breisacher Juden und ihren Nachfahren eine gewisse vorsichtige Skepsis gegenüber der engagierten Deutschen vor, berichtet Mrs. Wulff ehrlich. Diese konnte aber vor allem durch Taten sehr bald aus der Welt geschaffen werden. Bereits im Jahr 2000 erwarb der Förderverein das ehemalige jüdische Gemeindehaus in der Rheintorstraße (ehem. Judengasse), um daraus einen Ort für Austausch, Forschung, Bildung und Kultur und inzwischen auch wieder ein Anlaufpunkt für eine neue Generation deutscher Juden in Breisach zu machen. Seit der Einweihung im Jahre 2003 gehören regelmäßige Treffen und Veranstaltungen, die auch über das einst rege jüdische Leben in Breisach informieren zum regelmäßigen Programm. Der Förderverein und seine Arbeit, so Elaine Wulff- Wurmser, habe den Überlebenden der Naziherrschaft ein Stück Heimat und einen wichtigen Teil ihrer Geschichte wieder gegeben. Die junge Generation auf jüdischer wie deutscher Seite würde durch das Angebot des „blauen Hauses“ zu mehr Toleranz angeleitet. Wie intensiv Erinnern gerade über Begegnung funktioniert wurde deutlich, als einer der jüdischen Gäste, der, in Freiburg geboren, viel Zeit in Breisach bei seiner Großmutter, der „Bären“- Wirtin Emilie Schwab, verbracht hatte und nach der Flucht in die USA erst 1945 als junger Soldat zurück nach Deutschland gekommen war, von seinen Erlebnissen berichtete. Beim Übersetzen vom Deutschen, einer Sprache, die er „60 Jahre kaum gebraucht hatte“, ins Englische rutschte er wie automatisch wieder ins Deutsche , um sich dann lächelnd für das „Kauderwelsch“ zu entschuldigen. Was die Vertreibung aus der (sprachlichen wie geistigen) Heimat - auch nach 70 Jahren bedeutet - kann wohl kaum deutlicher veranschaulicht werden. Ohne den Einsatz des Fördervereins wäre „das Blaue Haus nicht blau und ein solches Treffen nicht denkbar“ endete die eindrückliche Rede.

Die Erinnerungsarbeit in Breisach ist sehr kostbar, betonte Minia Joneck von der jüdischen Gemeinde in Konstanz. Ohne derartige private Initiativen könnten die jüdischen Gemeinden allein die Erinnerungsarbeit nicht leisten, sagte Frau Joneck im Namen der mittlerweile wieder 10 jüdischen Gemeinden in Baden.

Im Anschluss stellte der Efringer Künstler TRIMPIN seine Skulptur „Pour Crever…um zu verrecken“ vor, die mit Unterstützung des Kunstkreises Radbrunnen eine Woche lang im Schatten des Radbrunnens zu entdecken ist. Der Titel des ein wenig an eine Guillotine erinnernden Kunstwerkes ist, so TRIMPIN, an ein Zitat von Hannah Arendt angelehnt, die auf die Frage, warum sie meine nach Gurs deportiert worden zu sein ohne Umschweife „pour crever“ geantwortet hatte. Wie TRIMPIN als Junge versucht hatte, die „rätselhaften Schriftzeichen“ auf den Grabsteinen des jüdischen Friedhofes zu entziffern, so fordert auch die Skulptur vom Betrachter eine „Entzifferungsleistung“. Über einen Bewegungsmelder ausgelöst fallen vom Kopfteil Wassertropfen in die Tiefe, die aneinandergereiht die Namen der ermordeten Breisacher Juden ergeben: Gedenken ist eben auch aktive Gehirnleistung!

Der Förderverein soll keine Institution sein, zu der die Beschäftigung mit der Vergangenheit abgeschoben werden kann, so einer der Leitsätze von Christiane Walesch- Schneller. Dieses Credo wird auch in der Woche der Begegnung umgesetzt werden. Mit einem ebenso anspruchsvollen wie aber auch abwechslungsreichen Programm, zu dem Vorträge und Besuche jüdischer Gedenkstätten ebenso gehören, wie gemeinsame Essen - denn auch das Gespräch und das gegenseitige Kennenlernen sollen nicht zu kurz kommen - gestaltet der Förderverein die nächsten fünf Tage rund um das Erinnern und Erleben. Die „Woche der Begegnung“ endet am Donnerstagabend mit einem Farewell- Dinner der jüdischen Gäste mit ihren deutschen Gastgebern. Den Abschluss der Auftaktveranstaltung am Radbrunnen bildete das „Trio Arabesque“, das den Vormittag musikalisch umrahmt hatte, mit einem Stück des Komponisten Ernest Bloch.

Das komplette Programm der „Woche der Begegnung“ so wie viele Informationen über die Arbeit des Fördervereins Ehemaliges Jüdisches Gemeindehaus Breisach e. V. gibt es im Internet unter www.juedisches-leben-in-breisach.de.
Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 2407 ISSN 2698-6949)


Start Datum: 27.06.2010
Ende Datum: 01.07.2010
Uhrzeit: Woche der Bebegnung vom 27. Juni bis zum 1. Juli 2010
Ort: Verschiedene Orte

Angelegt am 27.06.2010 19:17.

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Was will uns der Künstler damit sagen? BM Oliver Rein und das "Trio Arabesque" (Bild: J. W. Steckmeister)  

Minia Joneck begrüßt die anwesenden Gäste dreisprachig: Deutsch, Englisch und Hebräisch (Bild: J. W. Steckmeister)  

TRIMPIN erlärt seine Skulptur "Pour crever..." (Bild: J. W. Steckmeister)  

Entziffern der Tropfenbuchstaben: Gäste vor Skulptur und Radbrunnen (Bild: J. W. Steckmeister)  
   
 


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