Rheingold gefunden! Entdeckt Breisacher Gemeinderat den legendären Nibelungenhort?
Wohnt nicht am Marktplatz, mag aber auch keinen Lärm: Gelbbauchunke (Bild: NABU)
Jedenfalls fast, denn auf seiner Sitzung am Dienstag, den 15. Juni 2010, hat sich der Breisacher Gemeinderat neben dem Beteiligungsprojekt des Energieversorgers „badenova“ ,“KOMPAS“, dem vorläufigen Bebauungsplan für das Areal des „Alten Winzerkellers“ und dem Regionalplan Südlicher Oberrhein in Sachen „Einzelhandelsgroßprojekte“ auch mit wahren Goldadern auf der Breisacher Gemarkung beschäftigt: Einstimmig hatten sich die Ratsmitglieder dafür ausgesprochen, die Naturschätze Möhlin und Waldschlut (Altrheinarm) zukünftig durch eine strengere Regelung für Bootssportler besser zu schützen. Und zum Schluss sollte neben dem Lärmschutz für Amphibien, wie der freundlichen Gelbbauchunke, auch über das Ruhebedürfnis der Marktplatzanlieger verhandelt werden.
Da es weder Zuschauerfragen noch Anträge zur Tagesordnung gab, konnte bei der Sitzung im Breisacher Stadtteil Niederrimsingen gleich in die Höhen und Tiefen der Tagesordnung eingestiegen werden.
Neuorientierung bei und mit KOMPAS
Mit einem kommunalpolitischen Trend hatte sich das Ratsgremium unter TOP 3: Badenova Projekt „KOMPAS“ auseinanderzusetzen. Während einige Gemeinden wie beispielsweise Umkirch mit den eigenen Gemeindewerken „GWU“ unter Beteiligung der „badenova“ ihre Strom-, Gas- und Wasserversorgung seit Januar 2010 selbst in die Hand nehmen, bietet der Freiburger Energieversorger mit dem Projekt „Kommunale Partnerschaft“ (KOMPAS) Kommunen die Möglichkeit stiller Gesellschafter des Unternehmens zu werden.Das Modell KOMPAS sieht vor, dass jede Gemeinde, welche „badenova“ eine Erdgas- oder Stromkonzession erteilt hat, Mitgesellschafter von „badenova“ werden kann. Die Höhe der Gesellschaftsanteile bemisst sich nach dem Wert der Konzessionen, der nach einem einheitlichen Schlüssel auf der Basis einer betriebswirtschaftlich unterlegten Methode, für alle Kommunen gleich ermittelt wird. Diesen Wert können interessierte Kommunen dann auf freiwilliger Basis auch noch um das bis zu Zweifache durch eine stille Beteiligung aufstocken. Für diese stille Beteiligung wird eine attraktive Mindestrendite garantiert, bewirbt der Konzern seine Idee. Diese war jedoch im ersten Anlauf an Einsprüchen des Innenministeriums sowie des Regierungspräsidiums Freiburg gescheitert, die einen Widerspruch zum Gemeindewirtschaftsrecht in dem von „badenova“ ausgearbeiteten Vertragsentwurf entdeckt hatten. Denn für Kommunen, auch als stille Gesellschafter, so die Begründung der Behörden, sei eine „angemessene Einflussnahme“ also ein Mitspracherecht, vertraglich festzulegen. Hier hatte die „badenova“ nun nachgebessert, indem unter anderem ein eigenes Aufsichtsratsmandat für die neuen kommunalen Anteilseigner geschaffen wurde. Auch ein Muster des neuen Vertrages lag den Gemmeinderäten/Rätinnen inzwischen vor. Thomas Schäfer (CDU) betonte die regionale Verwurzelung und die ökologische Ausrichtung des Freiburger Unternehmens und begrüßte die zukünftige Teilhaberschaft im Namen seiner Fraktion. „Gemeinsam sind wir stärker“, schloss sich Reiner Zimmermann (SPD) seinem Vorredner an. Auch Thierry Casetou (ULB) bescheinigte der „badenova“ die richtige Einstellung in Sachen Atomenergie, was Werner Schneider von der FDP genauso sah. Logische Konsequenz war ein einstimmiges JA zum neuen Gesellschaftsvertrag und einem zukünftigen Einstieg in das Partnerschaftsprogramm.
Buntes bauliches Bilderbuch
Als ein „Bilderbuchprojekt“ bezeichnete Stadtplaner Dr. Bernd Fahle die Bebauung des 20. 000 m² Areals „Alter Winzerkeller“ an der Kupfertorstraße. So hatte er für TOP 4: Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes denn auch viele bunte Bilder mitgebracht. „Was soll sich städtebaulich entwickeln“, formulierte Bürgermeister Oliver Rein einleitend die zentrale Fragestellung. Und da es sich auch um ein zentrales Gelände handele, müsse, so der Bürgermeister weiter, die Planung transparent und öffentlich gehandhabt werden. Dennoch gelte es, zumindest den vorläufigen Aufstellungsbeschluss schnell auf den Weg zu bringen, da bei Baumaßnahmen wie der Nachverdichtung ein beschleunigtes Verfahren möglich sei, dass ein schnelleres Vorankommen in Sachen Fertigstellung gewährleiste. Kernstück des Neubaugebietes, erläuterte nun Dr. Fahle, sei die Umnutzung des bestehenden Gebäudes an der Muggensturmstraße als moderne Loftwohnungen. Um diesen zukünftig zweiteiligen Komplex herum würden Mehrgenerationenwohnungen an der Kupfertorstraße, Doppelhäuser entlang der neuen Querspange zwischen Muggensturm- und Kupfertortraße sowie viergeschossige Häuser an der nördlichen Clorerstraße gebaut werden. Besonders wichtig, erläuterte Fahle weiter, sei im Fall von Breisach die Dachgestaltung („Die Dächer müssen gelingen!“), da man vom Münsterberg aus das Wohngebiet auch von oben betrachten könne. Ein Umstand, der sonst eher selten der Fall sei. Planung, so betonte Fahle, sei aber auch immer „ein Abwägungsvorgang unterschiedlicher Interessen“, weshalb es sich hier lediglich um einen Vorentwurf handele und man sich ohnehin spätestens in sechs Wochen wieder zusammensetzen müsse. Hiermit sollte wohl auch die Skepsis von Reiner Zimmermann (SPD) aus der Welt geschaffen werden, der einen zu geringen Einfluss der Stadt „im Sinne des öffentlichen Wohles“ befürchtete. Doch selbst nachdem Bürgermeister Rein beteuerte, die Stadt „würde das Heft in der Hand behalten“, wollte Zimmermann seine Zustimmung nur unter Vorbehalt geben. Eric Karle (ULB) wollte wissen, nach welchen energetischen Standards die Gebäude erstellt würden und ob zu Gunsten des Mikroklimas auf genügend Grünflächen geachtet wurde. Grünflächen und innerstädtische Verdichtung, so der Stadtplaner, stellten per se einen „Zielkonflikt“ dar. Man habe sich aber durch die teils viergeschossige Bauweise genug grünen Raum gelassen, weshalb eben nicht nur Doppelhäuser geplant worden seien. Barbara Kuhn (SPD) hatte die Kröte (oder Unke?) der Abbruchkosten noch nicht vollständig geschluckt, was in Anbetracht der Größe des Tieres auch verständlich war. Sie wollte sichergestellt wissen, dass die Stadt ihre Kosten auch wieder raus bekäme. Da dies aber niemand sicherstellen konnte, wurde dem Aufstellungsbeschluss mit der einsamen Gegenstimme von Frau Kuhn stattgegeben.
Regionale Reibereien
Immer noch wenig Zufriedenheit herrscht von Seiten der Stadtverwaltung mit der Teilfortschreibung des Regionalplanes Südlicher Oberrhein in Sachen „Einzelhandelsgroßprojekte“, dem fünften Tagesordnungspunkt. Bereits im Januar hatten sich die Rätinnen und Räte mit der teilweise unzureichenden Planung auseinandergesetzt und Nachbesserungen gefordert, die aber im neuen Planentwurf nur teilweise Berücksichtigung fanden. Bemängelt wird nach wie vor die unvollständige Übernahme aller vorhandenen großen Einzelhandelsflächen im Stadtgebiet Breisach in die Gebietskarte als auch die Einstufung des ehemaligen KBC- Geländes lediglich als Vorbehalts- nicht aber als Vorrangsgebiets für Einzelhandelsgroßprojekte, was der Situation der Stadt nicht gerecht würde. Anita Güth (CDU) bemängelte, dass der Regionalverband Breisachs spezielle Lage als Grenzstadt in seine Planung nicht mit einbezöge. Reiner Zimmermann (SPD) betonte, dass Breisach als Mittelzentrum sich vom Verband „keine Daumenschrauben anlegen lassen würde“.Die Brache auf dem ehemaligen KBC- Gelände gehöre unter Planungshoheit der Stadt ohnehin einer anderen Nutzung zugeführt als unbedingt einem Großsupermarkt. Bürgermeister Rein betonte, dass das Aufstellungsverfahren für das KBC- Gelände weiterhin liefe, vom Umzug des REWE- Marktes aber inzwischen Abstand genommen worden sei. Eric Karle (ULB) ergänzte, dass trotz guter Nachbarschaft die Bedürfnisse der Breisacher Bürgerinnen und Bürger und nicht der „französischen Freunde“ im Vordergrund stehen sollten. Letztlich habe der Regionalplan die REWE- Umsiedlung verhindert, was durchaus positiv zu betrachten sei. Mit vier Gegenstimmen wurde der Aufrechterhaltung der Vorbehalte der Stadt gegen den Regionalplan Kapitel „Einzelhandelsgroßprojekte“ zugestimmt.
Unter Top 6 nahm der Gemeinderat zur Kenntnis, dass der neue Rektor der Julius- Leber- Schule Sigmund Früh wird.
Flüssiges Gold und Brutgeschäft
Als ein „Zweites Taubergießen“ (Jörg Leber, CDU) ja sogar als ein „Rheingold“ (Reiner Zimmermann, SPD) werden die Auengebiete Möhlin und Waldschlut von Breisacher Gemeinderäten betrachtet. Und diese Einschätzung ist weder unter optischen noch unter ökologischen Aspekten übertrieben. Unter TOP 7 stand denn auch der bessere Schutz des gefährdeten Biotopkomplexes Auenlandschaft auf dem Abendprogramm. Auslöser für die Neufassung der „Rechtsverordnung zur Regelung des Gemeingebrauchs“ ist vor allem die drastisch zunehmende Nutzung der Möhlin und Waldschlut durch private wie kommerzielle Paddler und Kanufahrer, auf die man im Naturschutzgebiet Taubergießen schon seit langem mit strengen Nutzungsbestimmungen reagiert hat. Besonders in der Laich- und Brutzeit der zum Teil streng geschützten Auenbewohner wie Eisvogel oder Gelbbauchunke wirken sich Lärm und das Betreten der Uferzonen negativ aus. Um Flora und Fauna in den Auen auf der Breisacher Gemarkung angemessen zu schützen, sieht die neue Regelung ein zeitlich begrenztes (März bis August), im Bereich Waldweiher und Rappennest sogar ganzjähriges Befahr- und Badeverbot sowie ein Verbot des Betretens der Uferzonen vor. Für gewerbliche Nutzer ist eine Beschränkung auf hundert Bootsfahrten im Jahr vorgesehen, wobei für jedes Boot eine Gebühr in Höhe von 5 Euro bezahlt werden muss. Außerdem sind vom Veranstalter alle Tourteilnehmer auf umweltgerechtes Verhalten in der Schutzzone hinzuweisen. Reiner Zimmermann (SPD), der Mann für´ s Feine, gab lediglich zu bedenken, dass man die Zahl der Boote, nicht die der Bootsfahrten beschränken müsse, da eine Bootsfahrt ja durchaus mit mehreren Booten unternommen werden könne. Um dies festzuhalten, wurde von Zimmermann ein entsprechender Ergänzungsantrag gestellt, den lediglich der Bürgermeister ablehnte, da er den Entwurf „seiner Verwaltung“ für ausreichend hielt. Ansonsten wurde die Neuregelung fraktionsübergreifend begrüßt und einstimmig angenommen. Allein Werner Schneider (FDP) kam nicht darüber hin, dass Reiner Zimmermann das „Rheingold“ vor ihm entdeckt hatte.
Marktplatz statt Parkplatz Teil 3947
Wenig Uneinigkeit herrschte auch bei TOP 8: Anpassung der Marktordnung. Lediglich Therry Casetou und Eric Karle (ULB) stimmten die Anwesenden schon auf das in Top 11 nochmals auftauchende Thema Marktplatz ein: Warum man den Dienstagsmarkt nicht auch auf dem Marktplatz statt auf dem Neutorplatz veranstalten könne? Dienstagsmarkt- Mitinitiatorin Anita Güth (CDU), gab zu bedenken, dass der Marktplatz am Dienstagnachmittag kaum autofrei zu kriegen wäre. Werner Schneider (FDP) und Stadtoberhaupt Rein begrüßten den zweiten Standort ausdrücklich. Ohne Gegenstimen wurde die neue Marktordnung samt Gebührenordnung angenommen.
Gute alte Tradition
Seit rund 200 Jahren sei es Tradition der Stadt Baumaßnahmen am Münster zu bezuschussen, so berichtete Anton Siegel (ULB) aus der Geschichte Breisachs. Mit dieser guten Sitte sollte auch unter TOP 9: Zuschuss für die Außensanierung des St. Stephans Münsters nicht gebrochen werden. Das sahen seine Kolleginnen und Kollegen genau so. Einstimmig wurde einer Bezuschussung in Höhe von 40. 000 Euro für den Erhalt des „Wahrzeichens von Breisach“ (Werner Schneider, FDP) zugestimmt.
Kaum hatte er begonnen, war Top 10: Vergabe von Bauarbeiten zum Neubau des städtischen Bauhofes auch schon wieder erledigt. Von sieben abgegebenen Angeboten, hatte die Firma Pontiggiamit rund 450. 000 Euro das günstigste eingereicht, so dass der Auftrag ohne Gegenstimmen an die Waldkircher Firma vergeben wurde.
Viel Lärm um (fast) Nichts! Marktplatz statt Parkplatz Teil 3948
Schlusspunkt des Abends und bildete der Antrag von Eric Karle (ULB), die Sperrzeiten auf dem Marktplatz zu Gunsten von 1.) abendlichen Veranstaltungen in den Sommermonaten für eine festgelegte Anzahl von Tagen auf 24 Uhr zu verkürzen und 2.) eine Verschiebung der Sperrzeit auf 23 Uhr für das Geburtstagsfest der ULB am 24. Juli und eine mit Beidem einhergehende Änderung der Polizeiverordnung zu beschließen. Laut bestehender Verordnung dauert die Nachtruhe in Breisach von 22 bis 6 Uhr. Eine, so Karle, den Veränderten Lebensgewohnheiten nicht mehr in jedem Falle entsprechende Regelung.
Bürgermeister Rein betonte nochmals, warum er dem Antrag der ULB in Sachen Geburtstagsfest nicht stattgegeben hatte: Bei den rund 150 Breisacher Vereinen würden, falls diese nun alle auf dem Marktplatz feiern wollten, die Anwohner/Innen „nicht mehr glücklich werden“. Für städtische Feste würde er gegebenenfalls jederzeit sein OK geben, wozu eine generelle Änderung der Polizeiverordnung aber nicht notwendig sei, so Rein weiter. Extrem gut vorbereitet auf die Thematik hatte sich Wendelin Hintereck (CDU) von der Breisacher „Event- Abwehr“. So hatte er sich über sämtliche von Eric Karle in der letzten Gemeinderatssitzung als Positiv- Beispiele aufgezählten Musikveranstaltungen in Nachbargemeinden informiert und haufenweise Probleme und Konfliktpotential zu Tage gefördert, das die durch derartige Events verursachten Müllberge noch bei weitem überragte. Letztlich, so bilanzierte Hintereck sein Horrorszenario, gewönnen durch die Events nur die Veranstalter - Dreck, Lärm und Arbeit blieben an den Gemeinden hängen. Man konnte während Hinterecks Schilderung die Events förmlich zu „Ihh- vents“ mutieren sehen. Nichts desto trotz, bremste Frank Kreutner (SPD) den Event - Horror- Trip, sei für eine Attraktivitätssteigerung der Gemeinde eine Umnutzung des Marktplatzes dringend notwendig. Das, so betonte Eric Karle, sei auch der eigentliche Hintergrund seines Antrages gewesen. Lediglich um einmal mehr ein Stimmungsbild zu gewinnen, hatte er den „Ball Marktplatz ins Feld gespielt“. Die Frage, warum der Marktplatz ein Parkplatz sei, so Dr. Jacob Loewe (CDU), sei durchaus berechtigt. Der Wunsch nach einer Umnutzung ebenso legitim wie konsensfähig. Aber es müssten ja nicht gleich Musikveranstaltungen sein. Eine Änderung der Polizeiverordnung wurde gegen die Stimmen von Barbara Kuhn und Thierry Casetou abgelehnt.
Mit Einigkeit über eine stille oder zumindest leise Veränderung in Sachen Marktplatz endete der Sitzungsabend im Niederrimsinger Gemeindesaal.
Autor: Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 2361 ISSN 2698-6949)