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Rückblicke und Einblicke - Stadtführung auf den Spuren der Breisacher Juden/Jüdinnen

Herzlich Willkommen! Dr. Chr. Walesch- Schneller begrüßt die Gruppe vor dem "Blauen Haus" (Bild: J. W. Steckmeister)

Anlässlich des Europäischen Tages der Jüdischen Kultur, der am Sonntag, den 05. September 2010, in rund 30 europäischen Ländern begangen wurde, hatte der Förderverein „Ehemaliges jüdisches Gemeindehaus Breisach e. V.“ zu einer Stadtführung auf den Spuren der Breisacher Juden eingeladen. Wie viel oder eher wie erschreckend wenig nach der dreimaligen Vertreibung der Breisacher Juden von dem einst aktiven Gemeindeleben noch zu sehen ist, konnten die Tourteilnehmer auf der rund zweistündigen Entdeckungsreise erfahren. 

Wie es um das Ansehen der Juden nach dem Siegeszug des Christentums auch in Breisach bestellt war, macht das Relief im Tympanon über dem Hauptportal des Breisacher St. Stephans Münsters deutlich. An ihren spitzen Hüten leicht zu erkennen, werden hier Juden gezeigt, die den Heiligen Stephan, Namensgeber des Breisacher Wahrzeichens, steinigen, wie schon die neutestamentarische Apostelgeschichte im Lukasevangelium berichtet. Ebenfalls aus dem Hochmittelalter stammt die Pflichtkennzeichnung jüdischer Bürger durch den „Gelben Fleck“, ein Stoffstück, das auf der Kleidung getragen werden musste und das bereits rund 800 Jahre zuvor an das grausame Schicksal der europäischen Juden während der NS- Diktatur gemahnt. Dies und noch Vieles mehr weiß Sibylle Höschele in Begleitung von Olga Gorfinkel über die Geschichte der Breisacher Juden zu berichten, die bis zur ersten (1349) und zweiten (1424) Vernichtung und Vertreibung der Breisacher jüdischen Gemeinde mit ihren christlichen Nachbarn Tür an Tür in der Oberstadt lebten. Die dritte jüdische Gemeinde siedelte sich noch mitten in den Wirren des 30jährigen Krieges in der Breisacher Unterstadt an, wo bis heute die meisten Spuren ehemaligen jüdischen Lebens zu finden sind. Hierzu zählt nicht zuletzt das „Blaue Haus“, das von der ehemaligen Gastwirtschaft zur jüdischen Schule und schließlich zum Gemeindehaus und, nach der Zerstörung der 1804 erbauten neuen Breisacher Synagoge durch die Nazis in der Reichspogromnacht, zum Gebetshaus wurde. Heute sind hier Dank des Fördervereins eine umfangreiche Bibliothek, ein Museumseckchen und Büros für die umfangreiche ehrenamtliche Archiv- und Forschungsarbeit des Vereins und seiner Mitglieder untergebracht. Hinter dem Platz der ehemaligen Synagoge, auf dem sich heute eine Gedenktafel befindet, die 1998 feierlich eingeweiht worden ist, liegt versteckt der alte jüdische Friedhof. Dieser wurde 1755 angelegt und bis ins Jahr 1875 belegt. Danach kam der neue jüdische Friedhof auf der Gemarkung „Isenberg“ dazu. Vor dem Betreten des Friedhofes werden die Männer in der Besuchergruppe gebeten, ihren Kopf mit der Kippa, einer traditionellen Kappe zu bedecken, die im jüdischen Glauben Gottesfurcht und Bescheidenheit vor Gott symbolisiert und unter anderem auch beim Besuch der Synagoge getragen wird. Die teilweise zerstörten oder umgeworfenen alten Grabsteine wurden wieder aufgerichtet, Fragmente zu Mosaiken zusammengelegt. Ein Projekt des „Blauen Hauses“ stellt die Namensrekonstruktion gewaltsam getilgter Namenszüge auf rund 70 Grabsteinen auf dem neuen jüdischen Friedhof dar. Eine winzige Spur der ehemals wichtigsten jüdischen Gemeinde in der Region findet sich an einem Türrahmen in der Sternenhofgasse. An den unverputzten Löchern war einst die Mesusa angebracht, eine kleine mehr oder weniger aufwendige Kapsel in deren Inneren auf einer Miniaturschriftrolle das jüdische Glaubensbekenntnis festgehalten ist. Eine solche Mesusa befindet sich auch an einem der Türrahmen des „Blauen Hauses“, wo die Teilnehmer des Stadtrundgangs von der Vereinsvorsitzenden Dr. Christiane Walesch- Schneller Willkommen geheißen werden. Nicht nur am mühsam in Handarbeit ausgeräumten Kellergewölbe wird hier deutlich, wie viel Arbeit die Vereinsmitglieder in das Erinnerungshaus und die Erinnerungsarbeit investieren. „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, steht auf dem Kunstwerk des jüdisch- breisacher Künstlers Ari Nahor in 11 Sprachen zu lesen, dass die Rückwand des Gartens hinter dem ehemaligen Gemeindehaus ziert. Wohl das Beste und sicher auch eines der ältesten Rezepte, um vergangenes Unrecht in der Zukunft nicht wieder geschehen zu lassen! Zahlreiche Informationen zum jüdischen Leben in Breisach und zur Arbeit des Fördervereins gibt es im Internet unter www.juedisches-leben-in-breisach.de.

Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 2969 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 07.09.2010 16:36.

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Tympanon über dem Hauptportal des Stephansmünsters: Steinigungsszene Hlg. Stephanus unten rechts (Bild: J. W. Steckmeister)  

Sibylle Höschele (rechts) zeigt Spuren der Mesusa in der Sternenhofgasse (Bild: J. W. Steckmeister)  

Grabstein auf dem Alten Friedhof: "Segnende Hände der Kohanim" (Bild: J. W. Steckmeister)  

Mesusa am Türrahmen im "Blauen Haus" (Bild: J. W. Steckmeister)  
   
 

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