Krach und Streit
Die Bürgerfragestunde (TOP 1) mutierte dank zweier ebenso aufgeregter wie gut vorbereiteter Umkircher zur Bürgerredestunde, und machte so ihrem Namen auch in Bezug auf die Dauer alle Ehre. „Freie Bahn für den Platz“, so sah ein unwirscher Umkircher die Fällung der vier Kastanien und eines Lindenbaumes im hinteren Gutshofplatzbereich. Es hätte, so der Redner weiter, keine sachlichen Gründe gegeben, die Bäume abzusägen, sondern man habe sie nur loswerden wollen, um die Platzneugestaltung durchzudrücken. Für ebenso unsinnig und frevelhaft erachtete der Mann die Entfernung des Laubenganges. Eine Neubepflanzung des Platzes mit zwölf Kastanien sei hingegen überdimensioniert. Es sei, so schlussfolgerte er, letztlich besser und billiger, von dem Plan des Architekten Volker Rosenstiel zurückzutreten, als nachher einen Platz zu haben, der auch hinsichtlich der klimatischen Bedingungen unzureichend und damit nachbesserungsbedürftig wäre. In Sachen mangelnde Mikroökologie war Volker Rosenstiel jüngst mit seinem für Freiburg geplanten neuen „Platz der Alten Synagoge“ in die Kritik geraten. Bürgermeister Laub betonte, dass die Gestaltung des Platzes nach dem Plan von Architekt Rosenstiel vom Gemeinderat beschlossen worden wäre. Der Laubengang, so Laub weiter, sei nur entstanden, um das seinerzeit noch unansehnliche Rathaus zu verstecken, was ihn nach der Renovierung des Gebäudes an dieser Stelle überflüssig, ja gestalterisch unsinnig mache. Die zwölf neuen Bäume, rot blühende Rosskastanien mit einem Kronendurchmesser von 15 Metern, würden auf dem Platz Platz finden, versicherte Laub außerdem.Applaus aus dem zahlreich erschienenen Publikum bekam eine Bürgerin, die sich ebenfalls für den Erhalt des Laubenganges an seiner jetzigen Stelle aussprach. Auch Klaus Leible (CDU) schlug sich auf die Seite der Laubengangerhalter: Er sei von Anfang an gegen die Entfernung gewesen.Lauter aber nicht minder emotional ging es beim nächsten Thema zu, da es sich ja auch um Lärmbelästigung drehte. Am Samstag, den 17. Juli, hatte im Umkircher Schloss Erbprinz Karl Friedrich von Hohenzollern seine Hochzeit gefeiert (REGIONALIA- Umkircher Nachrichten vom 19. 07. 2010, Artikel- Nr. 2469). Da der Erbprinz nicht nur Schlossherr, sondern auch Musiker ist, ging es im Schlosspark länger und lauter zu, als manchem Bürger lieb war. Eine Ausnahmegenehmigung durch den Bürgermeister, bis 2 Uhr früh auch laut feiern zu dürfen, sei schlichtweg unzumutbar, so ein erboster Parkanlieger, dem offenbar nicht nur die Musik, sondern auch die eigentlich abgeschafften Privilegien für den Adel zuwider liefen. Bürgermeister Laub bekannte, dass er sich das erste Mal im Leben für Umkirch geschämt habe. Er, der lediglich in seiner Funktion als Bürgermeister, auch auf dem Fest anwesend war, habe miterleben müssen, wie die Polizei vor dem versammelten Hochadel die Musikanlage abstellte. Außerdem sei er von eben jenem Bürger auch noch in aller Öffentlichkeit angepöbelt worden. Der Park sei 364 Tage im Jahr leise, so dass eine derartige Veranstaltung auch von unmittelbaren Anliegern hinzunehmen sei, endete Laub sichtlich verärgert.
Wichtiges geht weiter
Erholsam ruhig und sachlich berichtete Markus Rauh unter TOP 2 über die Arbeit der Beratungsstelle für ältere Menschen und deren Angehörige. Der steigende Altersdurchschnitt und die wachsende Pflegebedürftigkeit in Kombination mit immer frühzeitigeren Krankenhausentlassungen und längeren Pflegezeiten ließe eine zentrale Anlaufstelle für ältere Menschen und deren Angehörige immer notwendiger werden, so Rauh. Getragen von der Kirchlichen Sozialstation nördlicher Breisgau bietet die Anlaufstelle zentrale, neutrale und kostenlose Beratung zu allen Themen rund um Rente, Pflege, Kostenträger und Ähnliches an. Auch Hausbesuche für immobile Patienten, so Rauh, stünden auf dem Programm der Einrichtung. Die Gebühr für die Inanspruchnahme der Beratungsstelle betrügen pro Einwohner einer Gemeinde lediglich 70 Cent und seien seit Jahren stabil geblieben, ergänzte Rauh. Mit dieser „Kopfpauschale“ würden 90% der Kosten gedeckt, die restlichen 10% übernimmt die Sozialstation, so Rauh auf die Frage von Klaus Leible (CDU), ob die Gemeindzuschüsse ausreichend wären. „Pflegende Angehörige brauchen diese Hilfe“, betonte die stellvertretende Vorsitzende des DRK- Ortsvereins Umkirch Roswitha Heitzler (CDU). Diese Meinung teilte auch der Rest des Gemeinderates: Einstimmig wurde eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für weitere drei Jahre beschlossen.
Tatort Umkirch
Mit einer Power- Point- Präsentation stellte der Leiter des Polizeipostens March, Hauptkommissar Wolfgang Ruf, TOP 3: Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 für die Gemeinde Umkirch vor. Politisch motivierte Taten sowie Ordnungswidrigkeiten, erläuterte Ruf seine Grafiken, würden von der Kriminalstatistik nicht erfasst. Schwankungen durch Veränderungen im Anzeigeverhalten unterschiedlicher Straftaten seien mit statistischen Mitteln nicht greifbar zu machen, so Ruf weiter. Die Zahl der angezeigten Straftaten in Umkirch ist vom Jahr 2008 zum Jahr 2009 von 279 auf 334 Delikte und damit um 19, 1% angestiegen. In 2008 hatte die Aufklärungsquote bei knapp 60% im vergangenen Jahr bei rund 50% der Straftaten gelegen. Die außergewöhnlich hohe Aufklärungsquote im vor vergangenen Jahr begründe sich über die Aufklärung einer Einbruchsserie, erklärte der Hauptkommissar den Ausrutscher nach oben. Mit rund 50% liegen die Diebstahlsdelikte an der Spitze der Straftaten gefolgt von Körperverletzung (17%) und Vermögens- und Fälschungsdelikten. Auf die Anfrage von Viktor Horn (CDU), der Verstöße gegen das BTM- Gesetzt in Umkirch als ebenso häufig wie gut sichtbar empfinde, erklärte Ruf die relativ niedrige Prozentzahl der Drogendelikte. Nur sechs Fälle waren in Umkirch zur Anzeige gekommen, was auf den relativ geringen Kontrolldruck durch die Polizei, der wiederum auf Personalmangel zurückzuführen sei, zu erklären ist. Die Zunahme der Tatverdächtigen unter den Jugendlichen und Heranwachsenden sah Ruf unter anderem durch die gute Zusammenarbeit mit den Sozialarbeitern vom Umkircher Jugendzentrum begründet. Da diese ihre „Pappenheimer“ kennen, würden mehr Straftaten zur Anzeige kommen, in der Hoffnung, die Täter/Innen unter 21 durch „erwischt werden“ und das Tragen der Konsequenzen für ihr Fehlverhalten noch auf den „rechten Weg“ bringen zu können.
Jahrestrockenwettermenge- Vorhersage gefällig?
Das Thema Kanalsanierung (TOP 4) hat in Umkirch weitaus längere Tradition als die beliebte Ortskernneugestaltung. Bereits im Jahr 1992 hatte eine große Kamerabefahrung den desolaten Zustand der Umkircher Kanalisation ans Tageslicht gebracht. In einem ersten Sanierungsabschnitt von 1996 bis ins Jahr 1999 wurden bereits Schwachstellen behoben. Mit dem zweiten Abschnitt der Kanalarbeiten hatte man nach einer zweiten Kamerabefahrung im Jahre 2000 begonnen. Aufgrund defekter Abwasserzuleitungen, sog. Dauerläufer, die zum Großteil unter den privaten Hausanschlüssen zu finden waren, war der Grundwasserspiegel in den Jahren 2002 bis 2005 um fünf Meter angestiegen. Die letzte große Kamerauntersuchung hat im Jahr 2010 stattgefunden. Bisher hat die Gemeinde für die Sanierung der rund 16 Kilometer langen Abwasserleitungen rund 3, 7 Euro aufgewendet. Seit dem Jahr 2000 betreut das Ingenieurbüro Raupach & Stangwald die Sanierungsarbeiten, deren verlauf und vorläufige Ergebnisse Peter Stangwald im Weiteren unter Verwendung interessanter Fachbegriffe wie „Jahrestrockenwettermenge“ erklärte. Eine Kamerabefahrung, so Stangwald, sei lediglich eine Momentaufnahme, so dass es die Regel sei, dass bei jeder Befahrung zahlreiche neue Schäden zum Vorschein kämen. Bei der letzten Untersuchung habe man 85 Dauerläufer festgestellt, wovon 41 private Hausanschlüsse seien. 30 an öffentlichen Schachtbauwerken wären mittlerweile komplett saniert worden, bei 14 öffentlichen Leitungen sei die Sanierung teilweise erfolgt, bei den Hausanschlüssen sein man auf die Kooperation der Eigentümer angewiesen, die für eine Reparatur rund 2500 Euro aufwenden müssten, erläuterte der Ingenieur. In den Jahren 2008 und 2009 wurden weitere 589. 000 Euro in die Kanalsanierung investiert und ab 2010 jährlich 100. 000 für die weiteren Maßnahmen im Gemeindehaushalt veranschlagt. Hiermit, so Stangwald, „sei die Gemeinde auf dem richtigen Weg“. Dass der Fremdwasseranteil ein Mehrfaches des Abwasseranteils ausmache, betonte Stangwald zudem, sei ein Gerücht. Von „total marode“ zu „deutlich besser“ sei eindrucksvoll, kommentierte Jörg Kandzia (CDU) Stangwalds Zustandsbericht. Man müsse die Substanz erhalten und dürfe keinen Investitionsstau aufkommen lassen, so Kandzia weiter. Eine Erhöhung der Abwassergebühr, so Rechnungsamtsleiter Markus Speck, würde aber in nächster Zeit auf die Bürger zukommen, wenn die notwendigen Sanierungsmittel im Haushalt auch weiterhin bereitgestellt werden würden. Vom Gemeinderat gab es auch angesichts dieser unbequemen Einsicht ein einstimmiges JA zur Fortsetzung der Sanierungsarbeiten an der Umkircher Kanalisation.
Konzepte für die Ewigkeit
„Vom Abwasser zum Friedhof“ läutete Bürgermeister Walter Laub, der seine gute Laune inzwischen wieder gefunden hatte, TOP 5: Weiterentwicklung der Friedhofskonzeption ein. Beide Umkircher Friedhöfe seien, so der Bürgermeister, in ihrer Gestaltung neu zu überdenken. Aufgrund veränderter Familienstrukturen lägen viele Familiengräber auf dem alten Friedhof brach. Für den neuen Friedhof sei insbesondere über die zentrale Pflege der Urnenfelder nachzudenken. Um die Neugestaltung adäquat betreut zu wissen, hatte die Gemeinde den Geschäftsführenden Vorstand der Genossenschaft der Badischen Friedhofsgärtner aus Karlsruhe, Klaus Goerigk, in den Umkircher Bürgersaal eingeladen. Dieser stimmte in Wort und Bild alle Anwesenden auf die neuen Trends für die Ewigkeit ein. Diese sind im Wesentlichen bezahlbare Bestattungsmöglichkeiten ohne lange Verpflichtungen (für die Lebenden!) an schönen Orten. Neue Bestattungsplätze wie Friedwälder und Streuwiesen (nicht zu verwechseln mit Streuobstwiesen) seien nur einige Zeugnisse dieses Wandels in der Bestattungskultur, so Goerigk. Neben der Gestaltung von parkartigen Friedhöfen mit „hohem Erholungswert“, liegt der Schwerpunkt der Friedhofsgärtnergenossenschaft auf der Dauergrabpflege. Rund 33.000 Grabstätten werden im Augenblick durch die Genossenschaftsgärtner betreut, erklärte deren Vorstand. Bereits für 1200 Euro wäre eine Urnenbestattung im Grabfeld inklusive Pflege für einen Zeitraum von 20 Jahren zu bekommen, womit dem Trend nach günstiger Bestattung wie nach „pflegeleichter Trauerbewältigung“ in vollem Umfang genüge geleistet würde, so Goerigk abschließend. Trotz der Bedenken von Jörg Kandzia (CDU), dass mit dem Entfernen der Familiengräber auf dem alten Friedhof auch ein Stück Umkircher Geschichte begraben würde, stimmten alle Gemeinderätinnen und -räte für die Einrichtung eines gärtnerbetreuten Grabfeldes auf dem neuen Friedhof zum Kostenpunkt einer außerplanmäßigen Summe von 6500 Euro.
Agena, Vega und Residenza
Nein, das sind nicht die Neuen im Umkircher Gemeinderat und auch keine Klingonenfürsten sondern Lampen! Denn in TOP 6 ging es einmal mehr um die Bemusterung der Lampen für Gutshofplatz und Gutshofstraße. Bevor sich Architekt Volker Rosenstiel, Hannes Seibold vom „Atelier Kontrast“ und der Rest der Bürgersaalinsassen/Innen auf den Gutshofplatz begaben, um sich diverse Lampen anzugucken, kamen nochmals die Kastanien direkt aus dem Feuer auf den Tisch. „Jeder Furz“, so der trotz später Stunde noch erfrischend deutliche Jörg Kandzia (CDU), „in Sachen Gutshof würde diskutiert“. Nur die Entfernung der Kastanien sei „Ruckzuck passiert“, nachdem plötzlich irgendwo „aus dem Off ein Gutachten auftaucht“, dass die Bäume, die sich von der Anschauung her „bester Gesundheit erfreuten“, zum Tode verurteilt. Der Gemeinderat, so Kandzia weiter, „steht dumm da und weiß von nichts“. Dergleichen dürfe in Zukunft nicht wieder passieren, mahnte der verärgerte Rat weiterhin an. „Wurzelverletzungen durch Grabmaßnahmen“, so Volker Rosenstiel, hätten laut Gutachten eines Baumpflegers zur Fällung der Bäume geführt. Fotos der gefällten Bäume belegten die Einschätzung des Gutachters, so Rosenstiel. Vor der Fällung hätte man zudem alle Bäume auf das Vorhandensein von Vogelnestern untersucht und damit auch dem Tierschutz Rechenschaft getragen. Allerdings machte Rosenstiel auch keinen Hehl daraus, dass ästhetische Gesichtspunkte mit in die Entscheidung hineingespielt hätten. Sowohl Tom Hirzle (SPD) als auch Claudia Weibel- Kaltwasser (UBU) schlossen sich den Worten ihres Kollegen Kandzia an: Das Vorgehen sei mehr als unsensibel gewesen, der Zorn der Bürger sei verständlich, das Gutachten erklärungsbedürftig und das Übergehen des Gemeinderates nicht nachvollziehbar. Bürgermeister Laub erklärte seinerseits sein Unverständnis darüber, dass sich im Zeitraum zwischen Bekanntwerden des Fällbeschlusses und der Fällaktion keiner der Gemeinderäte/Innen protestierend zu Wort gemeldet hätte, sondern alles jetzt im Nachhinein auf Rosenstiel und ihn einprassle wie Kastanien auf parkende Autos. Zum guten Schluss der Diskussion stellte Erhard Haas (SPD) in den Raum, überhaupt keine Kastanien mehr zu pflanzen, sondern sich jetzt, da die alten Kastanien weg seien, für eine andere Baumsorte zu entscheiden. Bevor allerdings über Baumsorten diskutiert werden konnte, brach die Versammlung nun doch in den Gutshof auf, um, bevor es draußen wieder hell wurde, die Lampenbemusterung vorzunehmen. Welche Lampe das Rennen macht, so viel sei verraten, entscheidet sich wohl erst auf der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause am 26. Juli. Die Mastlampen „Agena“ und „Residenza“ liegen in der Gunst der Umkircher Volksvertreter/Innen weit vorne, aber vielleicht gelingt es der intelligenten Lampe von Luxsoli noch Gutshofboden gut zu machen? Den zahlreichen Lampenhändlern der unterschiedlichen Firmen, die zur Lampenbemusterung angereist waren, sei jedoch eines mit auf den Heimweg gegeben: Der Umkircher Gemeinderat handelt- auch beim Lampenkauf!