Mehr Transparenz für Auge und Ohr versprachen die neue Position des Pressetisches, der nun direkt auf dem Schoß des Bürgermeisters steht, und die von Jochen Roser vorgestellte Mikrophonanlage mit „Präsidentensprechstelle“. Über eine raffinierte Steuerung werden überzählige Redebeiträge nach Art einer Selbstschussanlage ausgeschaltet. Ausschalten kann auch Walter Laub einzelne Räte/Innen oder das ganze Gremium mittels seiner „Chefkonsole“.
Da es keine Fragen aus dem Publikum gab (TOP 1) - vielleicht waren die Zuhörer/Innen präventiv ausgeschaltet worden - konnte Bürgermeister Laub unter TOP 2 die Beschlüsse aus der nichtöffentlichen Sitzung bekannt geben. Beate Rupp- Kappler wurde zur Gesamtleiterin der Kindergärten gewählt. Mit Mareike Schmidt wurde die Stelle der Seniorenberaterin besetzt.
Schauerliche Schädlingsranken – Klares Nein zum Antrag auf Befreiung von der Fassadenberankung (TOP 3)
Als „Angriff auf den IQ des Gemeinderates“ bezeichnete Jörg Kandzia (CDU) die Begründung für den Antrag eines Gewerbetreibenden, von der Begrünungspflicht seiner Lagerhalle am Umkircher Ortsausgang- West entbunden zu werden. Zunächst hatte der Betreffende versucht, die Begrünungspflicht durch konsequentes Aussitzen zu umgehen. Das hartnäckige Drängen von Bauamtsleiter Bernhard Weckel in Sachen Ranken hatte den Hallenbesitzer aber in Zugzwang gebracht. Da er unter anderem auch Medikamente einlagert, befürchtete er nun plötzlich, durch den Bewuchs könnte Ungeziefer in die Halle eindringen, was im Widerspruch zu den Konzernstandards der Pharmafirma steht. Diese Hygienestandards waren dem Gemeinderat zur Kenntnisnahme übermittelt worden und zwar in englischer Sprache. Dies empfand Tom Hirzle (SPD) als „Gipfel der Unverschämtheit“, da hier nach dem Motto „die Gemeinderäte/Innen können ohnehin kein Englisch“ versucht worden sei, so Hirzle, eine haltlose Begründung an den Mann/ die Frau zu bringen. Da sowohl die Bauvorschriften als auch die geplante Lagerung von Medikamenten von Anfang an bekannt gewesen seien, sahen auch Erhard Haas (SPD) und Klaus Leible (CDU) keinerlei Veranlassung, dem Antrag zuzustimmen.
Allein Wolfgang Risch (FWU) und Bürgermeister Laub fanden das Anliegen samt Angebot, als Ersatz für die Ranken ein paar Bäume zu spendieren, akzeptabel.
Der Antrag wurde mit 13 zu zwei Stimmen abgelehnt.
(Abstimmung: JA Risch, Laub NEIN Rest = abgelehnt 2: 13)
Hickhack mit Maulkorb – Hart erkämpfte Befreiungen vom Bebauungsplan für Ärztehaus (TOP 4)
Gleich mehrere Überschreitungen des Baufensters wünscht sich ein Investor für ein Gebäude im „Kalkofen“. An dem als Ärztehaus geplanten Neubau würde das Baufenster der Größe nach zu Gunsten eines großzügigen Treppenhauses und einer Tiefgaragenzufahrt und der Tiefe nach zu Gunsten eines bettengerechten Aufzuges überschritten werden, erläuterte Bauamtsleiter Bernhard Weckel.
Bürgermeister Laub bat seinen Gemeinderat, dem „vorbereiteten Antrag“ die Vorabbefreiung auszusprechen, da zum einender Kaufvertrag zwischen Gemeinde und Investor daran hinge und zum anderen ein weiters Abwandern von Ärzten/Innen aus Umkirch verhindert werden müsse.
Während Jörg Kandzia (CDU) befürchtete, sich vor der Baubehörde „zum Affen zu machen“, falls der Zustimmung des Gemeinderates vom Landratsamt widersprochen würde, plagten Tom Hirzle (SPD) andere Sorgen. Das Gebäude, so der Architekt skeptisch, sei „auf Teufel komm raus auf Effizienz ausgelegt“. Es handele sich hier weniger um ein Ärzte- als um ein „Investorenhaus“. Auch empfand es Hirzle als „absurd“ etwas zu beschließen, bevor der eigentliche Bauantrag durch sei. Extrawürste für Ärztehäuser wollte er trotz enger Fristen durch die Novelle der Landesbauordnung (Weckel) nicht braten.
Ilias Moussourakos (UBU) freute sich dagegen sowohl über ein Ärztehaus, als auch über die faszinierende Tatsache, dass jemand einen Antrag stellt, bevor er baut.
Erhard Haas (SPD) dagegen fand, dass hier „ein kompletter Bebauungsplan über Bord geschmissen werde“. Bevor noch irgendjemand irgendetwas finden oder empfinden konnte, übernahm Roswitha Heitzler den Job der „Präsidentensprechstelle“: Ausschalten der Diskussion. Ihrem Antrag auf „Ende der Debatte“ wurde gegen die Stimmen von Klaus Leible, Ilias Moussourakos, Tom Hirzle und Erhard Haas stattgegeben. Den Befreiungen vom Bebauungsplan wurde ohne weitere Debatte stillschweigend zugestimmt.
(Abstimmung: NEIN Bölter, Haas, Hirzle, Moussourakos, Leible JA Rest = angenommen 11: 5)
Schikane vom Landratsamt? – Ja zu veränderter Traufhöhe bei Einfamilienhaus (TOP 5)
Als „wohltuendes Beispiel für einen Befreiungsantrag“ bezeichnete Tom Hirzle (SPD) das Anliegen eines Bauherren im Baugebiet „Brünneleacker/ Schwenkenland“. Bei dem Einfamilienhaus soll an zwei Stellen die zulässige Traufhöhe geringfügig überschritten werden. An der vorgeschriebenen Firsthöhe ändert sich jedoch nichts, versicherte Baufachmann Bernhard Weckel, der in der Absage der unteren Baubehörde gegenüber dem Anliegen eher überzogene Pingeligkeit als begründete Zweifel sah. Zwar störte sich Dr. Gerd Babucke an der sehr späten Benachrichtigung der Angrenzer, dennoch wurde dem Antrag auf Bebauungsplanbefreiung einstimmig zugestimmt. (Abstimmung: JA, einstimmig)
Grünzeug im Grünzug – Ja zu Supermarkt in Gottenheim
Ein einstimmiges JA gab es für einen Antrag des Gemeindeverwaltungsverbandes Kaiserstuhl- Tuniberg auf Ansiedlung eines kleinflächigen Lebensmittel- Einzelhandels in Gottenheim. Zwar liegt der zukünftige Supermarkt im Grünzug des Regionalplanes, jedoch sahen die Rätinnen und Räte sowohl die bestehende Notwendigkeit eines Lebensmittelversorgers für die Nachbargemeinde als auch die nicht bestehende Notwendigkeit, sich in Gottenheimer Angelegenheiten einzumischen. (Abstimmung: JA, einstimmig)
Schwarze Zahlen mit den „Wichteln“ – Gemeinderat billigt Rechnungsergebnis und Haushaltsplan (TOP 7)
Mit 68% der Betriebsausgaben fördert, so will es das Gesetz, die Gemeinde Umkirch die private Kleinkinderbetreuungseinrichtung „Wichtelbande“ e. V. Um nicht nur Zahlmeister zu sein, sondern auch zu wissen, was bei den Wichteln finanziell geht, hatte der Gemeinderat beschlossen, zwischen Gemeinde und Krabbelgruppe einen Förderungsvertrag abzuschließen. Bestandteil des Vertrages ist, die Vorlage von Jahresrechnung und Haushaltsplan der Einrichtung vor dem Ratsgremium. Von den Gesamtausgaben 2010 von 57.951 Euro hatte die Gemeinde 39.407 Euro getragen. Die Einnahmen der Gemeinde aus den Gebühren des Finanzausgleichsgesetzes (Fördermittel für Kleinkindbetreuung) und die Betreuung auswärtiger Kinder konnten Einnahmen von rund 41.230 Euro erzielt werden. Damit schreibt die Gemeinde mit der „Wichtelbande“ schwarze Zahlen. Der Jahresabrechnung 2010 und dem Haushaltsplan 2011 (57. 800 Euro, 39. 300 davon Gemeindeleistung) wurde unter Enthaltung von Klaus Leible (CDU) stattgegeben. (Abstimmung: Enthaltung Leible, Rest JA)
Rechenspiele mit „Graf Zahl“ – Ja zur Bildung von Haushaltsresten für 2010 (TOP 8)
Flink wie ein rechnendes Wiesel erklärte Kämmerer Markus Speck den tieferen Sinn von „Haushaltsresten“, bei denen es sich nicht um Kartoffelschalen oder Verpackungsmüll handelt, sondern um Gelder, die im laufenden Jahr ausgegeben aber dem vergangenen Haushaltsjahr zugerechnet werden.
Bei den Projekten Sanierung Turnhalle (55.000 Euro), Verkehrskonzept (11.000 Euro), Gemeindeanteil B31 (140.000 Euro), Parkplatz Gutshof (420.000 Euro), Grundstückserwerb (85.000 Euro) und Baukosten Bürgersaal (21.000 Euro) werden Gesamtkosten von 732.000 Euro in den Haushalt 2010 eingerechnet, die erst 2011 verbraucht werden. Dem Rechenspiel wurde einvernehmlich zugestimmt. Lob gab es von Jörg Kandzia (CDU) für den ehemaligen „Rummelhaufen“ Turn- und Festhalle, der sich Dank Sanierung in ein ansehnliches Gebäude verwandelt hat.
(Abstimmung: JA, einstimmig)
TOP 9: Annahme von Spenden – Einstimmig angenommen
„Demokratie ist halt teuer!“– Verschiedene Streitereien runden den Abend ab (TOP 10: Verschiedenes)
Eine gute, eine mittelschlechte und eine schlechte Nachricht hatte Bürgermeister Walter Laub für den Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ aufgehoben. Vom Land, so die gute Nachricht, gibt es noch mal 200.000 Euro für den zweiten Teil der Ortskernneugestaltung. Etwas „etwas Unangenehmes“ in Sachen Wohnbebauung und Einzelhandelsagglomeration (Neubaugebiet Umkirch- Ost) droht von Seiten des Regionalplanes, fabulierte der Bürgermeister mit sichtlicher Skepsis gegenüber den Regionalplanmachern, die „sehr im Verborgenen arbeiten“. Zur Information über eventuell drohendes Ungemach hatte die Verwaltung an die Gemeinderäte/Innen ein Info- Heftchen des Regionalverbandes verteilt. An die Presse leider nicht.
Etwas mehr als „etwas unangenehm“ nämlich unangenehm ist die erneuerte Petition gegen den Gutshof, die ein Umkircher Bürger eingereicht hat. Zwar war dessen erste Eingabe vom Petitionsausschuss des Landtages abgelehnt worden, dennoch war die Gemeinde auf Anwaltskosten von rund 10.000 Euro sitzen geblieben. Denn für die „missliche Schiene Petition“, erläuterte Jurist Laub, kann die Gemeinde keine Kostenansprüche erheben. Neben der neuen Petition hat der Gutshofanlieger zusätzlich eine Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt, so Walter Laub zerknirscht. „Demokratie ist halt teuer“, bilanzierte das Gemeindeoberhaupt das nervige politische Idealbild.
Eine Teilschuld der Gemeindeverwaltung machte Erhard Haas (SPD) aus: „Der Bürgermeister hat es nicht geschafft, die Leute beim Gutshof mitzunehmen.“
Viktor Horn (CDU) fand Haas´ Äußerung unverschämt. Jörg Kandzia (CDU) rügte Haas ebenfalls: Er fände „persönliche Angriffe nicht in Ordnung“. Allerdings ließ er es sich nicht nehmen, den Bürger mit den Petitionen als „alten, vergrezten, starrsinnigen Mann, der nichts Anderes zu tun hat“ zu bezeichnen und dazu noch öffentlich mit Namen zu nennen. Aber das fällt offenbar nicht unter Kandzias Definition von „persönlicher Angriff“, da es sich um einen Bürger und nicht um ein Mitglied der Gemeindeverwaltung handelt.
Das mochte wiederum Tom Hirzle (SPD) nicht so stehen lassen. Er empfand es als „dickes Ei“, einen Bürger, der ein legitimes Mittel nutzt, derart „persönlich und abwertend“ anzugreifen.
Etwas Anderes wollte Klaus Leible (CDU) nicht auf sich sitzen lassen: Den „unsäglichen, unkollegialen und unhöflichen Antrag“ Roswitha Heitzlers auf das Ende der Debatte beim Thema Ärztehaus (TOP 4). Denn auch er, Leible, hätte gerne einen Diskussionsbeitrag zum Thema beigesteuert, wozu es wegen des Maulkorb- Antrages aber nicht mehr gekommen sei. Unter diesen Umständen, so Leible, sei er zukünftig nicht mehr bereit, sich einzubringen. Er brauche die Zeit, um genügend Diskussionsbeiträge zu sammeln und in seinen Argumenten und mit seinen Fragen auch auf die Meinungen seiner Ratskollegen/Innen eingehen zu können.
Klaus Leible gehört zur wertvollen Spezies der Volksvertreter, die vor dem Reden Zeit zum Nachdenken brauchen. Und es ist Dank der Umkircher Ratssitzung nun zumindest teilweise geklärt, warum diese seltene Art vom Aussterben bedroht ist: Sie erstickt hinter hausgemachten Maulkörben.
Dafür nahm man sich nun aber noch rund eine Dreiviertelstunde Zeit, um über den Weg, der vom Gutshofplatz direkt auf ein Gitter führt und über die immer noch ungelöste Problematik der nächtlichen Ruhestörungen auf dem Schulhof zu debattieren. Tom Hirzle (SPD) beklagte zudem, dass die tolle Arbeit des Verkehrsausschusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Er wünschte sich mehr Transparenz.
An diesen frommen Wunsch wird dann gleich von REGIONALIA- Redaktionsseite noch ein weiterer angehängt: Mehr Menschen, die sich, wie Klaus Leible, die Zeit nehmen, vor dem Reden nachzudenken!