Vielleicht ist es übertrieben, bei einem Spaziergang entlang der Richard- Müller- und Rheinstraße oder dem Gutgesellentor- und Neutorplatz von einem Bummel mit Bammel zu reden. Jedenfalls solange wie man kein Kind, alter Mensch oder Mensch mit Gehbehinderung ist. Als „gesundes Mittelalter“ ist man von einem Fußmarsch entlang der betreffenden Breisacher Straßen bestenfalls genervt. Als Radfahrer geht es einem wenig besser, man hat es nur schneller hinter sich. Und dies ganz besonders, wenn man hier während des Feierabendverkehrs oder am Wochenende zu Gehen oder Radeln beliebt. Eine wahre Herausforderung für Mutige ist am Wochenende, insbesondere an einem schönen Sonntag, die Rheinuferstraße. Auch Freunde des Abenteuerurlaubs kommen in der „30er“- Zone direkt am Rhein voll auf ihre Kosten. Zwar wurde versucht, mittels eines üppigen Schilderaufkommens des motorisierten Durchgangs- und Flanierverkehrs Herr zu werden, aber aufgrund des herrlichen Rheinblicks übersehen die meisten Autofahrer wohl die Halteverbots- und Zone- 30- Schilder. Der langsame Fußgänger hingegen wird mit diversen Schildern („Fußweg zur Innenstadt“) weg vom Rheinufer auf einen vor der Automasse durch eine Hecke beziehungsweise einen Metallzaun geschützten Gehweg gelotst. Dieser allerdings quillt am Wochenende vor geflüchteten Spaziergängern nahezu über, außerdem nötigt der Sicherheitszaun vor der Linkskurve in Richtung Schiffsanlegestelle die Fußgänger, die auf den Fußweg direkt am Rheinufer oder zum Weinbrunnen auf die andere Straßenseite wechseln wollen zur gefährlichen Zaunübersteigung oder einem Umweg entlang des Spielplatzes. Natürlich hat der Zaun seine Berechtigung: Das riskante Überqueren der Straße in der unübersichtlichen Kurve soll vermieden werden - da die Straße voll von Autos ist, von denen die wenigsten mit Tempo 30 unterwegs sind. Weil man zu Fuß also nur sehr schwer an den Rhein kommt, und offensichtlich viele Menschen auch eine etwas befremdliche Vorstellung von einem Sonntagsspaziergang haben - man fährt mit dem Auto direkt an den Rhein, parkt am Besten direkt an der Rheinuferstraße, steigt aus, geht drei Schritte hin und drei zurück und fährt dann in die ca. 300 Meter entfernte Innenstadt am besten direkt vor ein Café zum Kaffee trinken - fahren viele Wochenendbesucher direkt an den Rhein und stellen dort ihre Fahrzeuge ab. Vom „Fußweg in die Innenstadt“, dem sicheren hinter der Hecke, aus ist der Rhein an solchen Tagen vor lauter abgeparkter Blechwand bis hinter die Europabrücke fast nicht mehr zu sehen.
Wie ein Raucherbein an einem sonst von lärmendem Leben durchströmten Körper mutet den medizinisch versierten Betrachter die Breisacher Fußgängerzone Neutorstraße an. Andere würden vielleicht von „toter Hose“ sprechen. Umbrandet von pulsierenden Lebensadern dümpelt diese im mittlerweile Blumenkübel gezierten Dornröschenschlaf. Freunde des Stadtverkehrs mögen argumentieren, dass dies daran liegt, weil man nicht mit dem Auto hineinfahren kann - das Wesen der Fußgängerzone als ihr eigentliches Problem. So oder ähnlich lautet auch das Kernargument vieler Verkehrsberuhigungsgegner. Ein Blick von jenseits der Autotür gewährt eine andere Sichtweise. Vielleicht ist die Fußgängerzone auch deshalb ein Sorgenkind, weil sie zu Fuß nur schwer, unbequem und nicht ganz ungefährlich zu erreichen ist. Denn rundherum brausen ja die Autos. Wer von der Fußgängerzone zu Fuß über den Gutgesellentorplatz will, zum Beispiel zum Bäcker oder Metzger, hat drei ebenso interessante wie abenteuerliche Möglichkeiten. Erstens: Schnelle, Mutige und Dickköpfe wählen den direkten Weg gerade über die Straße, der neben dem bereits mehrfach erwähnten Verkehr auch noch durch rückwärts ausparkende Autos einen besonderen Risiko- Kick erfährt. Vorsichtige, Kluge und Langsame haben die Wahl zwischen dem Fußgängerüberweg am Gutgesellentor und dem kurz vor der Einmündung zur Rheinstraße. Aber auch hier sind, wenn man den kleinen Umweg verwunden hat, gewisse Vorsichtsmaßnahmen unumgänglich, da die Zebrastreifen an denkbar ungünstigen Orten liegen, nämlich an Einmündungen und Kurven. Autofahrer, die von der Rheinstraße in den Gutgesellentorplatz einbiegen wollen, können Fußgänger, die vom Chinarestaurant Richtung Café wechseln erst sehr spät wahrnehmen. Nicht viel besser ergeht es Kraftfahrern auf dem Gutgesellentorplatz in Richtung Rheinstraße. Beim Café purzeln die Fußgänger direkt auf die Fahrbahn, da auch sie wegen der Arkaden direkt am Zebrastreifen die Straße kaum einsehen können. Wenig besser ist der nördliche Zebrastreifen Höhe Gutgesellentor. Hier flutschen die Autos schwungvoll aber meist ohne zu blinken von der abknickenden Vorfahrt Richard- Müller- Straße in die Straße Gutgesellentorplatz. Statt eines sinnvollen und wesentlich sichereren Fußgängerüberweges direkt im Anschluss an die Neutorstraße gibt es die zwei Kamikaze- Varianten. Aber damit nicht genug: Allein im begrenzten Areal rund um Marktplatz, Rheinstraße, Gutgesellentorplatz und Richard- Müller- Straße gibt es fünf Zebrastreifen, von den zahllosen weiter „draußen“ liegenden Überwegen ganz zu schweigen. Dafür gibt es keinen Zebrastreifen vom Bahnhof über die Ihringer Landstraße zum Edeka, aber das ist eine andere Geschichte… Die Straßenverkehrsordnung (StVO) erklärt die Anlegung von Fußgängerüberwegen nur dort für notwendig, wo „es erforderlich ist, dem Fußgänger Vorrang zu geben, weil er sonst nicht sicher über die Straße kommt. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn es die Fahrzeugstärke zulässt und es das Fußgängeraufkommen nötig macht.“ Für die Ermittlung von Fußgängeraufkommen und Fahrzeugstärke gibt es einen Schlüssel. Bereits bei einem Fußgängerbetrieb von 50- 100/h und einem KFZ- Aufkommen von 200- 300/h ist ein Fußgängerüberweg gesetzlich erlaubt. Ab einer Frequenz von 100- 150 Fußgängern sowie 300- 450 Autos pro Stunde wird ein Zebrastreifen dringend empfohlen. Nach oben sind den Zahlen selbstverständlich keine Grenzen gesetzt. Die Breisacher Zebrastreifendichte im Bereich rund um die Fußgängerzone lässt allerdings erkennen, dass man sich des Verkehrsproblems oder zumindest des Verkehrsaufkommens und der damit verbundenen Kollision zwischen „Fußvolk“ und Kraftfahrern bewusst ist.
Breisach hat sie, die Umgehungsstraße! Theoretisch könnte man die Innenstadt also ringförmig umfahren und ohne den Marktplatz auch nur zu streifen so beliebte Ziele wie den Obi, den Edeka oder die „Einkaufsinsel“ anfahren, wenn man nur wollte oder müsste… Aber da man ja auch den kurzen und wesentlich interessanteren Weg durch die Innenstadt nehmen kann, warum nicht noch mal aus dem Auto raus gucken, wer sonst noch so unterwegs ist? Und wozu hat man das teure Cabriolet oder das coole Motorrad, wenn´ s Keiner vorm Café oder der Kneipe zu sehen und zu hören kriegt? Und letztlich - warum überhaupt laufen, wenn man auch fahren kann? Die Staufener stöhnen nicht nur wegen der Risse. Auch eine Umgehungsstraße wünschen sich besonders die Anlieger der Neumagen- und Münstertäler Straße seit langem. Was Staufen allerdings schon lange hat, ist eine verkehrsberuhigte Innenstadt. Seit 26 Jahren kann in der Kernstadt nahezu autofrei gebummelt werden, ganz ohne Umgehungsstraße und ganz ohne Ladenpleiten. Denn der Untergang des innerstädtischen Einzelhandels wurde vor gut einem Vierteljahrhundert auch von Staufener Gewerbetreibenden an die Wand gemalt, sollte es denn zum „Horrorszenario“ Verkehrsberuhigung kommen. Ähnliche Ängste treiben auch die Breisacher Einzelhändler um. Kein Wunder, in einer Zeit, in der die „Kleinen“ mehr und mehr in Bedrängnis durch Riesenmärkte mit Zwergenpreisen geraten. Wie also überleben, wie konkurrenzfähig bleiben? Durch ein ausgefallenes Sortiment, guten Service und kompetente Beratung natürlich. Aber vielleicht auch durch eine andere Einkaufskultur. Ohne Stress, Lärm und Hektik. Durch Kundschaft, die während eines gemütlichen Einkaufsbummels vor einem hübschen Schaufenster stehen bleibt, in den Laden geht und etwas einkauft, was vielleicht zu Beginn des Spaziergangs noch gar nicht geplant war. Laufkundschaft nicht Fahrkundschaft heißt diese Spezies. Wer also nicht gerade Möbel, Elektrogroßgeräte, Baumaterial oder Getränkekisten verkauft - und das tut in den betreffenden Straßen niemand - kann von einer Atmosphäre, die Menschen und damit potentielle Kunden zum Verweilen einlädt, eigentlich nur profitieren. Die mit dem Parkplatz vor der Tür, das sind ohnehin die Anderen! Ein Anwohner der Neutorstraße schrieb der REGIONALIA- Redaktion, dass er, obwohl leicht gehbehindert, gerne auf die PKW- Nutzung in der Innenstadt verzichten würde, wenn nicht alle Lebensmittelmärkte so weit außerhalb lägen. Ist doch eine gute Anregung! Wie wäre es zum Beispiel mit einem „Tante Emma“- Laden am Marktplatz. Einen solchen gibt es übrigens auch in der Staufener Fußgängerzone. Und den gab es übrigens auch schon vor der Verkehrsberuhigung, und er hat überlebt, trotz der Discounter auf der grünen Wiese.
In Sachen Innenstadtgestaltung und Verkehrsberuhigung spricht Breisachs Bürgermeister Oliver Rein oft von „großem Potential“ und „kleinen Schritten“. Ein etwas größerer Schritt könnte folgendes Experiment sein: Wie wäre es mit einem Verkehrsberuhigungs- Probelauf an den Wochenenden? Inklusive Sperrung der Rheinuferstraße? Vielleicht erstmal nur in den Sommermonaten? Eigentlich doch nur ein ganz kleiner Schritt, aber bestimmt einer mit ganz großem Potential!