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Nackdei und Fingermoos - Bald heimatlos?

Bangen um den Baggersee: Nackedei, Haselmaus und Fingermoos (Bild: Regionalia/ JWS)

Ein Interessenkonflikt mit emotionaler Note schwelt in diesen Wochen rund um den Rimsinger Baggersee der Firma Hermann Peter KG. Aus dem „Arbeitssee“ zur Kiesgewinnung ist in den rund fünf Jahrzehnten seines Bestehens nämlich weit mehr als eine triste Kiesgrube geworden. Die Blaue Lagune zwischen Rimsinger Ei und Gündlingen ist Naherholungsgebiet, Badesee und Naturparadies. Neben dem „Grünen Fingermoos“ und der Haselmaus haben sich dort Grillfreunde (m/w), Naturanbeter/Innen und Nackedeis angesiedelt. Durch die geplante Vergrößerung des Sees droht seinen tierischen und pflanzlichen Anwohnern so wie den leicht bis nicht bekleideten Badefreunden/innen nun Heimatlosigkeit. 

Mit Kies und Arbeitsplätzen hätte man zwei Heilige Kühe beim Namen genannt, die auch was die geplante Erweiterung des Rimsinger Baggersees angehen, die Hauptrolle spielen. Für den Abbau der runden Steinchen hat sich sogar CDU- Lokalikone Gundolf Fleischer in eine Affaire gestürzt und rund 400 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt an Kiesabbau und -veredelung am Standort Rimsinger Baggersee. Früher als angenommen - Schuld daran sind, so ist vom Betreiber zu hören, Sedimente am Seeboden - nämlich bereits Ende 2012, ist Schluss mit Kies in Rimsingen. Zumindest auf dem bestehenden Areal. Nur folgerichtig, zumindest aus Sicht der Hermann Peter KG, dass die Firma eine Erweiterung des Fördergebiets um rund 25 Hektar plant, was ein Weiterbestehen des Standorts bis mindestens ins Jahr 2040 gewährleisten soll.
Naturromantik contra Schwimmbadcharme
Aufgrund geologischer, baulicher und planerischer Gegebenheiten kommt für die Seeerweiterung nur das Nordufer in Frage, so das Ergebnis der Betreiberfirma. Hier allerdings steht neben dem Wald, in dem sogar die seltene Wildkatze beheimatet sein soll, auch das beliebte wilde Badeufer samt der besonderen „Mondlandschaft“, einem Mikrokosmos aus Gestrüpp, Kies und Sand, zur Disposition. Und dagegen laufen die Freunde/Innen des Baggersees, die sogar mehrere Webseiten betreiben, Sturm. Sie wollen sich in einer ohnehin sehr „zweckorientierten“ Landschaft ihr kleines Paradies nicht nehmen lassen. Und auch die Aussicht auf ein zukünftig „geordnetes“ Baden am Westufer des Sees, einem geplanten Freizeit- und Familiengelände, tröstet die Seefreunde/innen nicht wirklich. Denn gerade das „wildromantische“ ist es wohl, was den wahren Rimsingen- Fan ausmacht. Allerdings war das freie Freibaden auch in den vergangenen Jahren nicht konfliktfrei abgelaufen. Neben Blechlawinen parkender Autos - insbesondere an den Wochenenden lockt der See Badegäste auch aus den Nachbarländern Frankreich und Schweiz - sondern auch Müllberge und Fäkalien und nicht zuletzt so mancher etwas „seltsame“ Nacktfreund hat den See ins Gerede gebracht. Die Seefreunde/Innen aus den Anliegergemeinden wie der Betreiber, hatten mehr oder weniger erfolgreich versucht, gewissen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Ein Restproblem jedoch blieb bestehen, zumal für den See rein formaljuristisch ein Badeverbot besteht, die bisherige Nutzung über Jahre nur geduldet wurde.
Aber wirklich anfreunden mag sich mit dem geplanten Freibadegelände samt Kiosk und Toilettenanlage mancher nicht, da man dann eigentlich auch ebenso gut ins Schwimmbad gehen kann, nur dass dort das Wasser auch noch eckig und chlorgeschwängert daher kommt und bis auf die Badehosenfarbe alles sehr reglementiert wird. Inwieweit sich das allerdings wilde Baden mit dem Naturschutzgedanken verträgt steht ebenfalls nicht erst seit gestern zur Debatte. Durch Gräben ziehen, Schranken und sonstige „natürliche Hindernisse“ hatte die Hermann Peter KG einer Überschwemmung aus Autos und Menschenleibern mehrfach und nicht unumstritten versucht Grenzen zu setzten, denn schon auf dem bestehenden Gebiet ist die Firma zur Einrichtung von Naturschutzzonen verpflichtet.
Rangelei um Ausgleichsflächen
Um den Verbrauch von Landschaftsflächen auszugleichen, so wollen es Wald- und Naturschutzgesetz, muss umgenutzte Naturfläche, insbesondere Wald, anderswo wieder „ersetzt“ werden und zwar im Verhältnis 1:1. Für die geplante Erweiterung des „Peter- Sees“ würde dies einen Flächenbedarf von zunächst rund 23 Hektar bedeuten. Eine ungeheure Menge in einer ebenso dicht besiedelten wie stark landwirtschaftlich geprägten Raumschaft. Zwar planen die Seebetreiber die Erweiterung in drei Stufen, so dass auch die Flächen nach und nach gefunden werden können. Vielen fehlt jedoch bereits für die erste Stufe der Erweiterung die Vorstellung, woher die Ersatzflächen kommen sollen. Eine dunkle Vorahnung treibt deshalb die Landwirte/Innen um. Denn es wäre nicht das erste Mal, das landwirtschaftliche Flächen als Ausgleichsflächen herangezogen werden. Und arg gebeutelt sieht sich die heimische Landwirtschaft in Sachen Flächenausgleich schon durch das integrierte Rheinprogramm und den Weiterbau der B31 West. Ob denn Arbeitsplätze in der Landwirtschaft solche zweiter Klasse seien, wollte denn auch ein verärgerter Bauer auf der Gündlinger Ortschaftsratsitzung am 24. März 2011 wissen. Anlässlich der Versammlung hatte die Firma Kies Peter eine umfangreiche Präsentation ihres Vorhabens dargeboten. Gastmoderator Oliver Rein betonte, dass dem keineswegs so sei. Wo allerdings die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsflächen hergezaubert werden sollten, wusste zumindest für den Moment auch Breisachs Bürgermeister nicht zu sagen.
Trinkwasserschutz und Transparenz
Ein weiteres Problem, das, so die Firma Hermann Peter KG, nicht nur aufgrund der „Hausaufgaben“ seitens der Genehmigungsbehörde Landratsamt sehr sorgfältig angegangen werden würde, ist die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung. Durch das Erweiterungsvorhaben wird sich die Fließgeschwindigkeit des Grundwassers durch den See nahezu verdoppeln, die Vorwarnzeit für eventuelle Verschmutzungen insbesondere des Gündlinger Trinkwassers also halbieren. An allen erdenklichen Brunnen würden schon jetzt engmaschige Messungen durchgeführt, versicherte der zuständige Planer. Und auch um einen zweiten, unabhängigen Versorgungskreislauf für den Fall der Fälle, werde man sich selbstverständlich bemühen. So transparent wie feinstes Trinkwasser soll das ganze Projekt gehandhabt werden. Unangenehme Erfahrungen mit mehr oder weniger großen Projekten in näherer und weiterer Umgebung sowie „bockige Bürger/Innen“, die sich längst nicht mehr alles gefallen lassen, habe wohl insgesamt zu einem Umdenken geführt. Spätestens im Mai dieses Jahres soll es auf dem Gelände der Hermann Peter KG eine umfangreiche Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger geben, versprach Geschäftsführer Thomas Peter auf besagter Ortschaftsratsitzung. Inwieweit offene Fragen und das Interessenkonflikt- Wirrwarr hier geklärt werden können, bleibt abzuwarten. Dem brisanten Thema und den „schützenswerten Gütern“ im und um den See seien ebenso sachliche Diskussionen wie klare und befriedigende Lösungen gewünscht.
 
Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 4061 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 31.03.2011 15:43.

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1 Kommentar(e)

11.05.2011 13:07:00   #1

steckmeisterb (Redakteur)
   
Registriert seit: 19.03.2010
Beiträge: 4
Pressemitteilung

Die genehmigungsfähige Auskiesung geht durch intensive Bedienung des überregionalen Kiesmarktes, an Stelle der örtlichen kiesabhängigen Industrie, weit früher als berechnet zu Ende. Das Kieswerk Hermann Peter wurde im Rahmen der letzten Fortschreibung des Regionalplans von den Genehmigungsbehörden auf diese letztmalige
Genehmigungsfähigkeit schriftlich aufmerksam gemacht.
Das am bisherigen Kieswerk angesiedelte Industriegebiet wird sich des Kieses der genehmigten Abbaugebiete bedienen können. Versorgungssicherheit für die kiesaffinen Industriebetriebe ist weiterhin gegeben!
Bei der letztmals vorgenommenen Güterabwägung kam es zu dem oben beschriebenen Kompromiss, der für den Natur- und Grundwasserhaushalt schon große Gefahren in Kauf nahm, wie aus den Fachguachten hervor geht.
Ich habe damals beschlossen letzmals zuzustimmen und sehe im Rahmen der aktuellen Fortschreibung des Regionalplans keine Genehmigungsfähigkeit!
Wenn die Gremien ihre Beschlüsse ernst nehmen und keine neuen Erkenntnisse zu gewärtigen sind, müssen die Privatinteressen dem
öffentlichen Wohl Rechnung tragen.
Politik hat die Daseinsvorsorge zum Ziel - dem müssen sich auch berechtigte wirtschaftliche Interessen Privater und der Kommune unterwerfen. Die wirtschaftliche Nutzung des Badesees als Freizeitzentrum wird uns vom Betreiber der Anlage seit 30 Jahren versprochen! Die Zeit für die
Umsetzung ist reif!
Die im reinen Abbaubetrieb in den nächsten Jahren verlustigen Arbeitsplätze können im Erholungsgewerbe eine zukunftssicheren Perspektive finden.
--
mit freundlichen Grüßen

Reiner Zimmermann

Vorsitzender der
SPD-Kreistagsfraktion
Breisgau-Hochschwarzwald
Regionalrat
Stadtrat

 


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